30.05.08

30.5.1873: Troja entdeckt

Der Mann war besessen. Wie eine geografische Ortsbeschreibung hatte er das dem antiken griechischen Dichter Homer zugeschriebenen Epos "Ilias" ausgewertet. Nun glaubte er sich am Ziel - in Troja, der Stadt des Königs Priamos. Am 14. August 1868 schrieb Heinrich Schliemann in sein Tagebuch:

"Gegen zehn Uhr morgens kamen wir auf ein weit ausgedehntes hoch liegendes Terrain, welches mit Scherben und Trümmern von bearbeiteten Marmorblöcken bedeckt war. Die weite Ausdehnung ließ uns nicht bezweifeln, dass wir auf dem Umkreis einer großen, einst blühenden Stadt standen. Und wirklich befanden wir uns auf den Ruinen von Neu-Ilium, jetzt Hisarlik genannt, welches das Wort 'Palast' bedeutet."

Ilium, Ilion, Ilios, Troja! - Troja, an der Nordwestspitze Kleinasiens im heutigen Anatolien gelegen, literarischer Schauplatz des letzten Kapitels der von Homer geschilderten zehnjährigen Belagerung der Stadt durch die Griechen im Trojanischen Krieg.

Prof. Korfmann: "Sie sehen jetzt die verbrannte Mauer von Troja II in einer doch sehr beeindruckenden Höhe, und durch diesen Schutt ist dann Schliemann durchgegangen und hat eben geglaubt, er hat die Stadt des Priamos gefunden. Wenn man solch einen Befund sieht, kann man ihm das nicht verdenken in einer Zeit, in der Archäologie noch nicht bekannt war, in der keine Daten bekannt waren, dass er dies hier meinte."

Manfred Korfmann, Professor für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie an der Universität Tübingen, der seit 1988 mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern die von Schliemann begonnenen Ausgrabungen auf dem rund 20 Meter hohen Burghügel Hisarlik und in seiner Umgebung fortsetzte.

Unter Wissenschaftlern ist kaum noch umstritten, dass es sich bei diesem geostrategisch günstig zwischen zwei Meeren und Kontinenten gelegenen Punkt, auf dem sich die Überreste von neun übereinander geschichteten Städten mit rund 50 Bauphasen in 3000 Jahren befinden, um das seit Alters her zugeordnete Troja handelt. Weder dafür noch für den Trojanischen Krieg gibt es bislang allerdings keinen einzigen unwiderlegbaren Beweis.

Der aus Neubukow in Mecklenburg stammende Kaufmann und Abenteurer Heinrich Schliemann glaubte bei seiner archäologischen Spurensuche nach der "Burg des Priamos" den letzten Baustein für seine Theorie, Hisarlik gleich Troja, gefunden zu haben, als er Ende Mai des Jahres 1873 den so genannten "Schatz des Priamos" entdeckte, jenes in der Ilias verherrlichten letzten Königs von Troja, dessen Sohn Hektor bei der Einnahme der Stadt durch die Griechen erschlagen wurde.

Schliemann war überzeugt, dass dieser legendäre, viereckig zusammengepresste Goldschatz in einer hölzernen Kiste gelegen hatte. Die Ilias bestärkte ihn in der Totenklage des Priamos auch hierin:

"Und von den Truhen tat er auf die schönen Deckel. Dort nahm er heraus zwölf überaus schöne Gewänder. Und brachte von Gold abgewogen zehn ganze Pfunde. Und nahm zwei blinkende Dreifüße heraus und vier Kessel. Und den Becher, den überaus schönen (...)"

Schliemann schmuggelte die für den Schatz des Priamos gehaltenen Geschmeide und kunstvollen Gebrauchsgegenstände zunächst nach Griechenland und von dort nach Deutschland. Am Ende des Zweiten Weltkrieges gelangten diese unter historischen wie archäologischen Gesichtspunkten wertvollen Kulturgüter in die Sowjetunion, wo deren Existenz bis zum Jahre 1992 geheim gehalten wurde. Seither streiten sich mehre Länder um den rechtmäßigen Besitz.

Der weit gereiste, polyglotte Schliemann, nach eigenem Bekunden seit Kindestagen von dem Drang beseelt, Troja zu finden, hatte ein abenteuerliches Leben hinter sich: Vom armen Krämerlehrling zum Millionär, vom belächelten Autodidakten zum anerkannten Altertumsforscher, der es allerdings mit der Wahrheit um seine Person nicht so genau nahm.

Seine fanatisch verfolgte Idee war es, Homer beim Wort zu nehmen, die von ihm genannten Stätten zu finden und die griechische Frühgeschichte aufzuhellen. Nicht nur seine sensationellen Funde in Troja und in Mykene auf dem Pelopones waren bedeutend, auch seine wissenschaftliche Methodik.

Prof. Korfmann: "In Troja war der Anfang der Archäologie. Archäologie hat sich hier erst entwickelt mit Schliemann, der ein Pionier unseres Faches ist und bleibt, zu dessen Arbeit und Leistung wir stehen."

Schliemann, fast taub, von einer Ohrenoperation in Halle noch nicht genesen, bricht am 25. Dezember 1890 auf der Piazza della Santa Carità in Neapel zusammen. Der halbseitig Gelähmte, der sich nicht mehr verständlich machen kann, stirbt am zweiten Weihnachtstag im Alter von kaum 69 Jahren. Unter großen Ehren wird er in seiner griechischen Wahlheimat in Athen beigesetzt. "Dem Helden Schliemann", steht auf seinem Grabmal.

Autor: Winfried Kurrath

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