06.05.08

6.5.1937: Zeppelin explodiert

Das Unfassbare geschah am 6. Mai 1937, 18.24 Ortszeit, im US-amerikanischen Lakehurst in der Nähe New Yorks. Ein Gewitter war niedergegangen. Die Landung des Luftschiffes Hindenburg, vor 77 Stunden in Frankfurt am Main gestartet, verzögerte sich. An Bord befanden sich 61 Mann Besatzung, 36 Passagiere, zwei Hunde sowie Post, Fracht und Gepäck. Kapitän Pruss ließ eine weite Schleife fahren und näherte sich dem Ankermast von Westen aus. Doch der Wind sprang blitzschnell um, der Führer der Hindenburg ordnete eine zweite Kurve an.

Gleichzeitig wurde Gas und über eine Tonne Wasser abgelassen. 60 Meter über dem Boden gingen die Landetaue nieder, vier Minuten später brach am Heck des Schiffes ein Feuer aus. Eine halbe Minute später barst der Schiffskörper auf dem Boden.

CBS-Reporter Herb Morris weinend, stammelnd schildert die Katastrophe: "Schrecklich. Es fällt runter. Die Passagiere... meine Damen und Herren, ich kann nicht reden. Schlimmste Katastrophe der Welt."

Radioreporter, wie der in Tränen ausbrechende Herbert Morris, berichteten live. Fünf Kamerateams und Heerscharen von Fotografen hielten für die Nachwelt fest, wie Deutschlands Stolz der Nation binnen Sekunden zu Aluminiumschrott verbrannte. 35 Menschen starben. Herbert Morris übrigens soll nach diesem Einsatz den Stuhl vor die Tür gestellt bekommen haben. Weinen während der Arbeit war seinen Chefs nicht professionell genug.

Der erste Unfall eines Zeppelins nach acht Jahren und zwei Millionen Kilometern reibungsloser Fahrt versetzte Deutschlands Nationalsozialisten einen herben Schlag, hatte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels die Hindenburg doch zum Friedensbotschafter erkoren. Hakenkreuze zierten das Heck, und egal ob Maifeier oder Reichsparteitag, immer stand der Zeppelin über den Ereignissen, um die Ehrfurcht vor dem Führer ins Riesenhafte zu vergrößern.

Expertenkommissionen mühten sich die Ursache des Brandes zu finden, doch das Ergebnis war mager. Entweder, hieß es, es sei Sabotage gewesen; ein US-amerikanischer Racheakt zwei Wochen nach der Bombardierung Guernicas, ein jüdisches Komplott, eine meuchlerische Tat der Konkurrenz, wütende Hühnerfarmer rund um das Flugfeld. Denkbar schien vieles, die Gerüchte schossen ins Kraut.

Für wahrscheinlicher aber hielten die Experten: Das den Zeppelin tragende Gas, der Wasserstoff, sei durch eine Kette unglücklicher Umstände entwichen und habe sich mit dem Sauerstoff der Außenluft zu Knallgas verbunden. Die statische Elektrizität nach dem Gewitter entzündete das explosive Gemisch. Heute weiß man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass die mit Aluminium beschichtete Außenhaut aus Baumwoll- und Leinenbahnen Feuer fing.

Nach dieser Panne deutscher Ingenieurkunst versuchten die deutschen Luftschiffbauer fieberhaft das US-amerikanische Heliummonopol zu knacken. Bis dahin hatten sich die USA geweigert, das unbrennbare Edelgas aus Amarillo, Texas, irgend einem anderen Land zur Verfügung zu stellen. Deutschlands Unterhändler waren fast am Ziel, ein Hapag Lloyd Dampfer mit Tausenden von Gasflaschen war schon unterwegs, als der Einmarsch deutscher Soldaten in Österreich am 1. März 1938 alle Bemühungen zunichte machte.

Und nun war auch die Geduld von Reichsluftfahrtminister Hermann Göring mit den Gaswürsten am Ende. Mit den Worten "Nee, meine Herren, det is nischt" ließ er die verbliebenen Giganten verschrotten, und am dritten Jahrestag von Lakehurst fegte ein Sprengkommando die Stahlhangars auf dem Frankfurter Flugfeld hinweg. Mittlerweile nämlich hatten sich Flugzeuge und im Transatlantikverkehr propellerbetriebene Luftboote durchgesetzt - zehnmal billiger und viel, viel schneller als die wunderbaren Königinnen der Lüfte. Und wichtiger noch: der Erste Weltkrieg zeigte, dass Zeppeline militärisch weitgehend untauglich sind.

In den 1990er Jahren dagegen feierten die Ungetüme fröhlichen Urstand. Sie sollten drängende Transportprobleme lösen. Will eine deutsche Firma beispielsweise eine Turbine in ein indisches Kraftwerk liefern, dauert die Tour zwei Monate. Die Fracht wird mehrfach umgeladen, oft müssen Straßen und Brücken verstärkt oder erst angelegt werden. Die Enkel des Grafen Ferdinand Adolf August Heinrich von Zeppelin dagegen schafften mit bis zu 160 Tonnen unter dem Bauch die Reise in sechs Tagen.

2002 wurde vor den Toren Berlins der Grundstein für eine riesige Montagehalle der Firma CargoLifter gelegt. Carl von Gablenz, Vorstandsvorsitzender der Transportfirma CargoLifter, freute sich damals, weil Deutschlands Ingenieuren im ausgehenden 20. Jahrhundert wieder eingefallen ist:

"Die Luftschifftechnologie ist eigentlich ganz simpel. Sie sperren ein möglichst nicht brennbares Gas, das leichter ist als Luft, in eine Hülle ein, damit will die nach oben. Dann können Sie was dranhängen, und das ganze bleibt in der Luft im Prinzip stehen."

Die CargoLifter AG jedoch, die dort Luftschiffe bauen wollte, ging 2002 pleite.


Autorin: Gerda Gericke

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