31.05.08

Archäologische Stätten von Pompeji, Herculaneum und Torre Annunziata

von Roman Arens

Weiterleben nach dem Untergang

Der Stiefel Italiens mit einer antiken Stadtkultur, nach einem Vulkanausbruch unter Lava und Asche begraben, ein Städtchen im Ballungszentrum von Neapel mit vielen Arbeitslosen trotz Textil- und Lebensmittelindustrie, ein Bischofssitz und eine Wallfahrtskirche - all das ist Pompeji, dem es vor 2000 Jahren viel besser ging. Als römische Provinzstadt am Schnittpunkt von wichtigen Handelswegen erlebte Pompeji auch dank der Weinkultivierung und der Ölerzeugung eine richtige Blütezeit. Noch in der Phase des Wiederaufbaus nach einem hier gar nicht so ungewöhnlichen Erdbeben, erlebte der Ort mehr als ein Jahrzehnt später eine weitere Katastrophe, seinen vollständigen Untergang. Nur dieser sicherte ihm - paradoxerweise - ein ungewöhnliches Weiterleben als Berühmtheit, und dies nicht allein im Gedächtnis der Welt.

Von Asche und Erde wieder befreit, ist die Stadt in Teilen ganz konkret erlebbar: Besucher wandeln durch die Straßen, betreten Geschäfte und stilvolle Wohnhäuser und bewundern den Geschmack für die Auswahl der Dekorationen oder auch den einst vorherrschenden unverkrampften Umgang mit allerlei Liebesspielen, die in Fresken an den Eingängen eines einstigen Freudenhauses dargestellt sind.

Was von der prächtigen Stadt erhalten ist, macht eine unmittelbare Zeitreise leicht und faszinierend. Was von ihr zerstört ist, macht den rasanten Zeitsprung in die Antike fürs staunende Gemüt des Besuchers vielleicht erst fassbar. Es ist überaus beeindruckend zu sehen, was im Untergang alles konserviert worden ist. Und dies unter einer Decke, die für viele Menschen tödlich war, den natürlichen Zerfall ihrer gegenständlichen Umwelt aber aufgehalten hat. Als Pompeji unter Asche, Lava und Bimsstein begraben wurde, war Plinius der Jüngere Augenzeuge. Er erlebte mit, wie "viele die Hände zu den Göttern erhoben, aber fast alle waren überzeugt, dass es die Götter nicht mehr gab". Nachvollziehbar wird die Katastrophe nicht nur durch das Medium der detaillierten Chronik. Unter einer bis zu sieben Meter dicken Bedeckung, die seit Mitte des 18. Jahrhunderts abgetragen wird, wurden außer Architektur und Kunst auch Schreckensszenen menschlichen Sterbens konserviert - plastische Momentaufnahmen, die sich erst bei den Ausgrabungen zeigten, als Hohlräume in der mit der Zeit erstarrten Lava mit Gips ausgegossen wurden. Dadurch erhielt man genaue Abdrücke von Menschen, die von ihrem Schicksal ereilt, von heißen Schwefeldämpfen erstickt oder in Körperhaltungen der tödlichen Überraschung und auch der verzweifelten Abwehr von Asche zugedeckt wurden.

Die Via dell'Abbondanza ist die längste Straße der römischen Provinzstadt, einst war sie auch die lebhafteste. In dieser "Straße des Überflusses" mit ihren Geschäften und Hauswänden mit Wahlreklame haben Wagenräder auf der Fahrbahn aus Basaltgestein tiefe Furchen hinterlassen. So etwas schaffen die jährlich zwei Millionen Touristen natürlich nicht. Dennoch sind die Besucherscharen für den Superintendenten Pier Giovanni Guzzo ein Alptraum: "Vier Millionen Füße!" Der oberste Hüter von Pompeji wird in Zukunft auch durch private Finanzierung mehr Geld für Aufsichtspersonal, für freigelegte Zonen, die ohne Restaurierung dramatisch verfallen, und für weitere Ausgrabungen zur Verfügung haben. Von seiner Stadt - so groß wie etwa 90 Fußballfelder - sind erst zwei Drittel freigelegt, und nur ein Fünftel ist für Besucher überhaupt zugänglich. Diese tummeln sich vorwiegend bei den bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Sie beneiden die Wohnqualität in den repräsentativen Häusern wie in dem nach einer anmutigen Statue benannten "Haus des Fauns". Wenn sich in dem "Haus der Vettier" zahllose Besucher drängen, fürchten die Archäologen um die Wandmalereien, die nicht für die Ewigkeit, sondern nur für eine Generation der Hausbewohner bestimmt waren. Wenn neue Flächen freigelegt und andere nach Restauration freigegeben werden können, ist dies gleich mehrfach vorteilhaft: der Wissenschaft wird gedient, der Neugier von Besuchern auch. Und wenn diese sich mehr über die Stadt verteilen, nimmt es Belastung von den gängigen Sehenswürdigkeiten. Denn dem weiteren Verfall Pompejis soll Einhalt geboten werden.

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