29.06.08

29.6.1613: Uraufführung "Heinrich VIII."

Prolog, "Heinrich VIII.", W. Shakespeare: "Ich komme nicht mehr, dass ihr lacht. Gestalten, die eure Stirnen ziehn in ernste Falten, die traurig, groß, stark, voller Pomp und Schmerz, so edle Szenen, dass in Leid das Herz zerrinnt, erscheinen heut. Die Mitleid fühlen, sie mögen Tränen schenken unsern Spielen. Der Inhalt ist es wert. Die, welche geben ihr Geld, um etwas Wahres zu erleben, sie finden hier Geschichte."

Die Ehewirren des englischen Königs Heinrich VIII. macht William Shakespeare zu einem Theaterstück. Das Drama beruht ausschließlich auf historischen Ereignissen. Die erste Scheidung, die zweite Ehe, die Geburt Elisabeths I. Programmatisch daher der Originaltitel: "All is true" - "Alles ist wahr". Spätere Shakespeare-Gesamtausgaben taufen es um in "Heinrich VIII.".

Zweiter Akt, vierte Szene, Königin Katharina: "Ach. Lieber Herr, wie tat ich Euch zu nah? Wie gab ich solchen Anlass Eurem Zorn, dass ihr sogar auf mein Verstoßen sinnt, mir jede Lieb und Gunst entzogt? Gott weiß, ich war Euch stets ein treu ergeben Weib, zu allen Zeiten fügsam Eurem Willen. (...) Wenn Ihr irgend etwas im Lauf und Fortgang dieser Zeit entdeckt und mir's beweist, das meiner Ehr entgegen, dem Bund der Eh' und meiner Lieb und Pflicht für Eure heilige Person: Dann stoßt in Gottes Namen mich hinweg - es schieße Hohn und Verachtung hinter mir die Pforten - und gebt mich preis der schärfsten Ahndung!"

Katharina von Aragon ist die erste Gemahlin Heinrichs VIII. Nach 23 Ehejahren und fünf Kindern, von denen vier gestorben und nur ein Mädchen überlebt hat, ist der König ihrer überdrüssig. Eine neue Ehe mit der Hofdame Anna Boleyn soll ihm den ersehnten Thronfolger bescheren. Die römische Geistlichkeit weigert sich, die Ehe zu scheiden.

Kurz entschlossen sagt sich Heinrich vom Papsttum los. Um die Scheidung durchführen zu können, gründet er die anglikanische Kirche und erklärt sich selbst zu ihrem Oberhaupt. Doch auch weltliche Mitglieder des Hofes protestieren gegen die Willkür des Königs. Und büßen, wie Lord Buckingham, mit dem Leben:

Zweiter Akt, erste Szene, Lord Buckingham: "Ihr guten Leute, die mich voll Mitleid also weit begleitet, hört mich, und dann geht heim, vergesset mich! Mir ist Verräters Urteil heut gesprochen, und dies gibt mir den Tod. Doch weiß der Himmel, und hab ich ein Gewissen, treff' es mich, so wie die Axt fällt, war ich jemals treulos! Den Richtern groll ich nicht um meinen Fall; sie übten Recht nur, nach der Sache Hergang. Doch, die's veranlasst, wünscht ich bess're Christen!"

Die historischen Ereignisse liegen genau 80 Jahre zurück, als William Shakespeare im Jahr 1613 ein Stück aus König Heinrichs Spiel um Liebe, Macht und Politik macht. Mangels eigener Anschauung zieht er Quellenmaterial hinzu.

Die englische Chronik des Historikers Holinshed und die Biografien christlicher Märtyrer von John Foxe liefern ihm die sicheren Fakten. Zudem ist mit größter Wahrscheinlichkeit Shakespeares Schriftstellerkollege John Fletcher als Co-Autor am Text beteiligt.

Das Stück ist eine Skandal-Reportage in Dialogform. Für Shakespeares Zeitgenossen zweifellos faszinierend. Die zeitlosen, sorgfältig ausgearbeiteten theatralischen Konflikte von Pflicht und Neigung, Liebe und Bestimmung, die ein Schauspiel allgemeingültig machen, fehlen allerdings.

Fünfter Akt, vierte Szene König Heinrich: "Lord Erzbischof, Ihr habt mich jetzt zum Mann gemacht. Kein Kind erzeugt ich noch vor diesem sel'gen Wesen. Dies Trostorakel hat mich so beglückt, dass ich dereinst im Himmel wünschen werde, das Tun des Kinds zu sehn und Gott zu preisen. (...) Ich dank Euch allen. (...) Heut soll keiner des Hauses warten, alle bleibt als Gäste: Durch diese Kleine wird der Tag zum Feste!"

König Heinrichs Schlussworte sind Programm. Shakespeare gestaltet die Uraufführung etwas zu festlich. Bei der Taufszene lässt er Salutschüsse abfeuern, einer davon entzündet das Strohdach des Globe-Theater. Es brennt bis auf die Grundmauern ab. Shakespeares Wahlspruch ist Wirklichkeit geworden: Die ganze Welt ist ein Schauspiel.

Autorin: Catrin Möderler

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