08.06.08

8.6.1815: Wiener Kongress

Die Welt ist aus den Fugen geraten. Der Aufstand der Völker hat den Revolutionskaiser Napoleon hinweggefegt. Aber die Hoffnungen der Menschen erfüllen sich nicht, denn Selbstbewusstsein und nationaler Freiheitsdrang werden am Ende der Kriege wieder zurückgedrängt.

Auf dem Wiener Kongress am 8. Juni 1815 versuchen die Staatsmänner Europas zwar, die Welt wieder zu ordnen, aber die Zeit gehört dem Großbürgertum, gehört den Perücken, Zöpfen und Staatsröcken, die sich eng an die staatliche Gewalt anlehnen. Das Deutsche Reich existiert seit 1806 nicht mehr.

Anfängliche Hoffnungen auf eine Wiederherstellung, auf ein erneuertes, einiges Deutsches Reich aller Stämme erfüllen sich nicht. Es scheitert am Egoismus der Fürstenhäuser, an der Eifersucht der Mächte. Weder Preußen noch Österreich, für das Klemens Fürst von Metternich führend an der Neuordnung Europas beteiligt ist, billigen dem jeweils anderen die Vorherrschaft zu, und so wird der "Deutsche Bund", ein loser Staatenbund, der sich aus 35 Einzelstaaten und vier freien Reichsstädten zusammensetzt, ins Leben gerufen. Die Historikerin Beatrix Bouvier, Professorin an der Universität Darmstadt:

"Da wurden Grenzen gezogen, nach den ausgehandelten Interessen der Mächte, ohne die Völker zu befragen. Insofern ein alter Zopf. Positiv an dieser Neuordnung oder an den Auswirkungen des Wiener Kongresses sind ohne Zweifel, dass sie Europa in dieser nach-napoleonischen Zeit lange Zeit Frieden beschert hat."

Der Deutsche Bund soll die äußere und innere Sicherheit der einzelnen Staaten garantieren und ihre Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit sicherstellen. Kompetenzen und Zuständigkeiten werden in der Bundesakte festgeschrieben, in manchen Fragen bleibt aber alles recht unbestimmt. Es gibt keine gemeinsame Exekutive, kein oberstes Gericht, das politische Leben spielt sich in den Einzelstaaten ab. Einziges Bundesorgan ist die Bundesversammlung, kein Parlament, vielmehr eine ständige Diplomatenkonferenz.

Verbittert reagieren die Freiheitskämpfer, die national und liberal denkenden Patrioten auf den Obrigkeitsstaat, an dessen Spitze Fürst Metternich steht. Ein Mann, der in jeder Veränderung eine Gefahr sieht, ein Mann, der sich eines Polizeistaates, ja, so sieht es die Historikerin Beatrix Bouvier, eines Spitzelstaates bedient:

"Er ist so sehr geprägt vom aristokratischen Denken, dass er jede Form von - was wir später Demokratie nennen - für etwas Absurdes gehalten hat, weil er das für revolutionäre Umtriebe oder Auswüchse der französischen Revolution hielt. Innenpolitisch ist dieses System von einem Beharren und Bewahren geprägt, was dann eben als System Metternich berüchtigt wurde, weil es immer repressiver wurde. Es gab keinerlei Formen von Pressefreiheit, Leute wurden suspendiert von ihren Ämtern, sie wurden aus dem Lande gejagt oder mussten fliehen."

Die Jugend ist es vor allem, die sich mit dem Obrigkeitsstaat nicht abfindet. Die Schüler Johann Gottlieb Fichtes, die Anhänger des Turnvaters Jahn, vorandrängende junge Männer, verzichten nicht auf die hohen Ideale der Kriegsjahre. Universitäten sind Sammelpunkte des studentischen Lebens. In Wien, Berlin und anderen Orten werden Burschenschaften mit Misstrauen und Widerwillen beobachtet. Das Wartburgfest ist dann für den Staat Beweis für die Gefährlichkeit der Bewegung, eine Bewegung, die sich in Trinksprüchen wie diesen erklärt:

"Hol der Teufel den Metternich und sein deutsches Zuchthaussystem, und hol er alle Polizeispitzel, Agenten, bezahlten Zeitungsschmierer und die alleruntertänigsten Hofräte, Beamten und Korporale."

Auch der gereizte Heinrich Heine lässt seiner ungezügelten Lästersucht freien Lauf: "Deutschland hat seinen Staatenbund, die garantierte Ohnmacht. Aber der Arm der Obrigkeit reicht immer noch hin, jede freie Regung zu ersticken."

Der Deutsche Bund zerbricht 1866 wegen des österreichisch-preußischen Konflikts.

Autorin: Monika Lohmülle

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