Henryk Wolski ist begeisterter Seefahrer. Neun Mal ist er um den Erdball gesegelt. Zusammen mit einer siebenköpfigen Mannschaft möchte er nun eine alte Wikingerroute erkunden. Ausgangspunkt der Expedition ist Polens Hafenstadt Danzig. Dort wird die "Welet", der originalgetreue Nachbau eines Wikingerschiffs, ablegen und Kurs auf Odessa nehmen. Für die 2.500 Kilometer lange Strecke benötigten die Wikinger fast zwei Jahre. Wolski will sein Ziel in drei Monaten erreichen. "360º - Die Geo-Reportage" begleitet den polnischen Kapitän und seine Mannschaft bei dem Abenteuer.
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"Dass die Wikinger durch die Ozeane der Welt gesegelt sind, verdient Respekt", sagt der polnische Seemann Henryk Wolski. Aber auch wie sie die Flüsse bezwangen, fasziniert ihn. Ihre Route zwischen Danzig und Odessa möchte er unter möglichst ursprünglichen Bedingungen erkunden. Immer wieder muss die Mannschaft der "Welet" - ein originalgetreuer Nachbau eines Wikingerschiffes - ihre Muskelkraft einsetzen. Jeden Tag wird mindestens fünf Stunden gerudert - bis an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit. Aber es gibt noch mehr Hindernisse. So setzt das Boot immer wieder auf flachem Grund auf. Gesprungene Planken und gefährlich tief hängende Fährseile sind eher kleine Probleme. Die erste große Herausforderung wartet an der Landesgrenze zur Ukraine: In Przemysl muss das Boot über Land auf den Fluss Dnjestr übergesetzt werden. Statt nach Wikingerart Holzrollen und Zugvieh zu gebrauchen, benutzen Wolski und seine Mannschaft einen Kran, der es vorsichtig aus dem Wasser hebt. Eine schwierige Operation, da sich das Boot mit Wasser voll gesogen und enorm
an Gewicht zugelegt hat. Doch damit nicht genug - am Grenzübergang soll Wolski auch noch eine Kaution von mehreren tausend Dollar hinterlegen, um einreisen zu dürfen. Kann er nicht zahlen, ist seine Reise hier zu Ende.
(Deutschland, Frankreich, 2006, 43mn)
ARTE
Regie: Malgorzata Bucka
Making Of......
Drehbericht von Malgorzata Bucka
Kapitän Wolski und Navigator Tomek Zadrozny haben zusammen schon mehrere Exkursionen unternommen. Die Expedition hätte eigentlich nicht stattfinden dürfen. Die deutsch-polnische Mannschaft hat sich nämlich eine Reise durch das Territorium der früheren Sowjetunion vorgenommen. Die einstige Wikinger-Route führte die „modernen Wikinger“ in ungeregelte, konfliktreiche Grenzgebiete. Aber die Mannschaft unter Kapitän Wolski machte sich vorerst keine Gedanken darüber.
Ihre Sorgen waren andere. Ein einziger spitzer Stein auf überschwemmten Wiesen, auf denen sie im friedlichen Polen auf der Weichsel und auf dem San ruderten, konnte der Reise schon ein trauriges Ende setzen – und das noch tausend Kilometer vor den heiklen Gebieten im Süden. „Immer mit der Ruhe“ und „bleibt flexibel“ waren die zwei Lieblingsdevisen des Kapitäns, die er jeden Tag mehrmals wiederholte. Kapitän Wolski und seine Freunde wollten sich alle Möglichkeiten offen halten. Sie hatten die moldawischen Behörden zwar rechtzeitig angeschrieben. Aber als keine Antwort kam, freuten sie sich, kein ausdrückliches Verbot der Durchfahrt bekommen zu haben, das die Fahrt „von Meer zu Meer“ verhindern hätte können. Sie trösteten sich mit dem Gedanken, dass es vor Ort vielleicht möglich sein würde, die Durchquerung für ihr Boot einfach zu erkaufen. Das erwies sich leider als unrealistisch.
Ansonsten war die Mannschaft angehalten, in jedem Moment der Reise sich ausschließlich auf die bereits bevorstehenden Hindernisse – Wasser und Land – zu konzentrieren. In Polen war das Wasser um zwei Meter höher als gewöhnlich. Die starke Strömung schleppte Bäume und schwere Gegenstände von den überfluteten Feldern mit. Die „Welet“ musste stromaufwärts fahren, dabei erwies sich ihr kleiner Seitenmotor als zu schwach. Anstatt geplante 80 Kilometer am Tag, legte die Mannschaft 40 zurück und musste einige Male Pausen streichen, um keine Verspätung zuzulassen. Die Grenze zur Ukraine in Przemysl hoffte der Kapitän mit dem Boot als Frachtgut in zwei Stunden überschreiten zu können. Die Abfertigung durch den ukrainischen Zoll nahm aber anderthalb Tage in Anspruch. Hätten ihm neue Freunde in der polnischen Grenzstadt Przemysl bei der Hinterlegung der Kaution, die überraschend verlangt wurde, nicht geholfen, wäre die Reise schon in Polen beendet gewesen.
Auf dem Dnjestr war das Hochwasser da – der bis dahin starke Regen zeigte sich als ein Segen für das Wikingerschiff. Mit seinen 50 cm Tiefgang hätte es auf dem sonst sehr flachen Fluss nicht fahren können. Mehrere Strecken hätte man mit dem LKW umfahren müssen und diese sonst einkalkulierte Strapaze fiel nun aus. Trotzdem liefen die Ruderer einige Male auf Untiefen auf. Die Spannung dabei war hoch: Halten die Planken den Schock des Aufpralls auf den steinigen Boden aus oder nicht?
Das Wikingerboot auf dem Dnjestr - im Durchschnitt legt es 60 Kilometer pro Tag zurück. Bildrechte: ARTE / © Medienkontor FFPDie Grenze zu Moldawien kam ganz unerwartet. An dem Tag des Crewwechsels in Nowodnistrowsk hat der Kapitän entdecken müssen, dass hinter dem Staudamm schon ein Militärsperrgebiet ist, das man auf keiner Karte erkennen konnte. Und wieder haben die Freunde aus Przemysl mit ihren Beziehungen zu ukrainischen Regierungskreisen geholfen. 140 Kilometer ist das Wikingerschiff auf dem Grenzfluss Dnjestr gefahren. Von der Weiterfahrt zwischen Moldawien und Transnistrien wurde sowohl offiziell vom polnischen Konsul als auch inoffiziell von den freundlichen ukrainischen Grenzbeamten in Mohilew Podolski energisch abgeraten. Die Segler wurden mit der Wirklichkeit konfrontiert: Zwischen den zwei unabhängigen Republiken Moldawien und Ukraine liegt die russische Exklave Transnistrien. Sie ist durch die 14. russische Armee besetzt, die dort das größte Waffenlager in Europa bewacht und die strategische Position Russlands im Balkan aufrecht erhält.
Also wurden die restlichen 400 Kilometer des wunderschönen, nun ruhigen Stroms binnen 16 Stunden auf dem staubigen Landweg umfahren. Die landschaftlich und vom Rudern her schönste Strecke fiel aus. Vor der Fahrt ins offene Meer hat starker Gegenwind die „Welet“ fünf Tage lang an einer Anlegestelle in der Bucht gefangen gehalten, die zwar ruhig war, jedoch nicht idyllisch. Das Einlaufen in den riesigen Hafen von Odessa war eine Entschädigung für alle Strapazen. Der Kapitän hatte sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt, dass er bei der Ankunft mit Vollwind im Segel am Kai ankommen würde. Gegen alle Vorschriften, ohne Motor und Funkkontakt mit dem Hafenamt, kreiste das kleine mittelalterliche Boot stolz und sicher zwischen den riesigen Tankern im Hafenbecken. Die Freude war größer als die Müdigkeit. Die Reise im Zeichen der Wikinger war ein Sieg des Optimismus und der geistigen Stärke einiger Menschen. Bei der Abfahrt in Danzig hatten sie sich noch aus Spaß als Wikinger verkleidet. Ihr Ziel haben sie aber in vollem Ernst erreicht.
12.07.08
360° Geo Reportage - Auf den Spuren der Wikinger
Tags: Dokumentation, Seefahrt, Wikinger
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