Kardinal Richelieu sucht Arbeiter, Frankreich soll prächtig herausgeputzt werden. Ludwig XIII. von Bourbon und Richelieu, sein kongenialer Staatenlenker, machen ein glanzvolles Land daraus. Die Hugenottenkriege sind gewonnen, die vorwitzigen Engländer längst aus allen französischen Territorien vertrieben. Jetzt ist es Zeit, zu leben, zu genießen.
Blois, Chambord, Fontainebleau: In Frankreich blüht Mitte des 17. Jahrhunderts die Schlossbaukunst. Diese Schlösser wollen eingerichtet werden, mit prunkvollen Möbeln, mit Gobelins, mit Leuchtern aus Kaskaden von Kristallprismen. Und irgendwer muss das alles herstellen. Das neue Lebensgefühl der jungen Großmacht Frankreich braucht Arbeitskräfte - Arbeitskräfte - Arbeitskräfte.
Arbeit gibt es unendlich viel im Paris des Kardinal Richelieu, und es gibt noch mehr Arbeitswillige. Vor allem ausländische Fachleute, alle durch Kriege und politische Wirrnisse vergangener Jahrzehnte ins Land gespült.
Jetzt gilt es also, die richtige Arbeitskraft an die richtige Arbeitsstelle zu schaffen. So wird am 4. Juli 1631 in Paris das sogenannte "Bureau d'Adresse" eröffnet. Hier hinterlegen Arbeitsuchende die Daten zu ihrer Person, Angaben zu ihren Fertigkeiten und ihre Adresse. Wer Arbeit zu vergeben hat, sieht dort nach, wer sich für seinen Bedarf eignet. Kaum hat sich das Prinzip des "Bureau d'Adresse" bewährt, macht Richelieu es zur Pflicht. Von jetzt ab müssen sich alle Arbeitsuchenden dort melden, vorausgesetzt sie kommen aus dem Ausland.
Zweihundert Jahre später interessiert sich niemand mehr für Kunsthandwerker. Die Industrielle Revolution hat Europa überrollt. Große Erfindungen wie die Dampfmaschine führen weg von der teuren Manufakturproduktion hin zur billigen Fabrikproduktion in großem Stil.
Eine Zuzugsbewegung findet statt vom Land in die Stadt. Die Städte mit ihren Fabriken und Geschäften versprechen Arbeit und gutes Leben. Aber irgendwann ist die Grenze erreicht. Noch dazu beginnt mit fortschreitender Industrialisierung die Bevölkerungszahl rapide zu wachsen. Es ist nicht mehr genug Arbeit für alle da, und wer keine Arbeit mehr findet, verelendet inmitten der glänzenden Großstädte der Belle Epoque.
In Frankreich ergreifen die Arbeiter die Initiative. Die alte Idee des "Bureau d'Adresse" wird 250 Jahre nach ihrer Geburt wieder interessant. Jetzt bekommt sie den Namen "Bourse du Travail". Die Börse fungiert wieder als Arbeitsvermittlungsstelle. Kernpunkt der Satzung der "Bourse du Travail" ist ihre Unabhängigkeit von Regierung und Arbeitgebern.
Zitat: "Die Arbeits-Börsen müssen absolut unabhängig sein, um die Dienste, die von ihnen erwartet werden, angemessen anbieten zu können."
Die Börse bietet außer Arbeitsvermittlung noch andere Leistungen an. Sie ist ein Zentrum für Weiterbildung und ein Versammlungsort. Die späteren Arbeitergewerkschaften nehmen hier ihren Anfang. Nach dem Ersten Weltkrieg wird der Leistungskatalog rund um die Arbeitsvermittlung um ein wesentliches Instrument erweitert: Die staatliche Erwerbslosenfürsorge wird eingeführt.
Das postindustrielle Zeitalter zur Zeit der Wende vom zweiten zum dritten Jahrtausend steht wieder vor großen Problemen auf dem Arbeitsmarkt. Arbeitsvermittlungen, wie einst das "Bureau d'Adresses" sind gefordert wie nie zuvor.
Zitat: "Gemäß BSG SozR 4100 §119 Nr. 15 hat der Arbeitslose das Arbeitsamt bei der Arbeitsuche zu unterstützen."
Natürlich haben sich die Methoden der Zeit angepasst. Wer will, ruft heute die Jobangebote per Mouseclick im Internet ab. Neben den staatlichen Arbeitsämtern stehen unzählige private Arbeitsvermittlungen dem Arbeitsuchende zur Seite, und wie schon anno 1631 bringt auch im Jahr 2000 Frankreich die Arbeitsuchenden besonders fantasievoll zu den Stellen. Wer ein Arbeitsangebot prüfen will, das weit vom Heimatort entfernt ist, bekommt vom Arbeitsamt, gestiftet von einer französischen Fluggesellschaft, einen Freiflug.
Autorin: Catrin Möderler
04.07.08
4.7.1631: Erstes Arbeitsamt
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