15. August 2008 Wenn Archäologen das Terrain um die Gemeinde Echzell als Fundgrube bezeichnen, dann ist das nicht übertrieben. Ertragreiche Böden und die günstige Lage oberhalb eines Auengebiets haben Siedler seit der Frühgeschichte immer wieder veranlasst, sich in dem Teil der Wetterau – östlich von Friedberg – niederzulassen.
In diesen Wochen sind die Archäologen abermals in Echzell tätig, um nach Siedlungsspuren zu graben. Am Rande des alten Ortskerns, wo im nächsten Jahr ein Neubaugebiet entsteht, legt ein Grabungsteam der Archäologischen Denkmalpflege des Kreises in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Relikte einer alemannischen Siedlung frei – also aus der Zeit, als sich die Römer aus dieser Region zurückzogen und in der Folgezeit germanische Stämme nachrückten.
Bedeutender römischer Militärstützpunkt
Nach den bisherigen Erkenntnissen bestand dieser Weiler vom vierten bis zum Ende des fünften Jahrhunderts. Der Wetterauer Kreisarchäologe Jörg Lindenthal bezeichnet die Erforschung der Siedlung als bedeutendes Projekt. So ließen sich bislang nur wenige spätantike Niederlassungen nachweisen, und es handele sich um eine für alemannische Weiler ungewöhnlich weiträumige Anlage. Auf einer Fläche von mehr als drei Hektar sind die Archäologen auf Spuren gestoßen. Der Landesarchäologe Egon Schallmayer verspricht sich von den Grabungen und den Funden, dass es gelingt, erstmals die Siedlungsgeschichte im Grenzgebiet des Limes während des Übergangs von römischer Herrschaft zum Eindringen germanischer Stämme zu dokumentieren.
Einen Namen hat die Gegend um Echzell unter Historikern vor allem als Standort eines bedeutenden römischen Militärstützpunkts. Bei Grabungen in früheren Jahrzehnten hatte man Relikte eines Kastells freigelegt, von dem sich herausstellte, dass es mit einer Fläche von mehr als fünf Hektar das zweitgrößte am gesamten heutigen Welterbe Obergermanisch-Raetischer Limes war. Vom Ende des ersten Jahrhunderts bis zur Aufgabe des Limes an diesem Abschnitt der Grenzbefestigung um die Mitte des dritten Jahrhunderts war das Kastell Echzell Sitz einer rund 500 Soldaten großen Reitereinheit – der einzigen, die im Gebiet des heutigen Hessen am Limes stationiert war. Verstärkt wurde der Stützpunkt durch eine nahezu ebenso starke Fußtruppe, eine Kohorte. Um den Stützpunkt herum hatten die Besatzer ein Vicus angelegt, ein Lagerdorf für Soldaten und deren Angehörige.
Handelsbeziehungen zwischen Römern und Germanen
Nach der Aufgabe des Kastells, möglicherweise aber auch schon während des etappenweisen Rückzugs, rückten germanische Siedler in das Gebiet nordöstlich des Taunus nach. Das belegen Funde aus dem Umfeld des Kastells. Weil zudem bekannt ist, dass die Römer in der letzten Epoche ihrer Herrschaft über germanisches Gebiet dazu übergingen, heimische Stämme anzusiedeln, also eine Art Befriedung betrieben, könnte auch der jetzt freigelegte alemannische Weiler unter römischem Einfluss gestanden haben, wie Lindenthal vermutet. Denn das Gebiet der nördlichen Wetterau diente den Römern auch nach Aufgabe ihren dortigen Stützpunkte noch als Reservoir für die Versorgung mit Nahrungsmitteln in benachbarten Gebieten entlang von Main und Rhein, wo sie sich noch halten konnten.
Für die These des Kontakts zwischen Römern und Germanen spricht nach Ansicht des Kreisarchäologen die beachtliche Zahl von römischen Münzen, die man in Echzell gefunden hat; die alemannischen Siedler haben also mit der früheren Besatzungsmacht Handel getrieben. Möglicherweise übernahmen sie im Auftrag des Statthalters in Mainz auch Aufgaben zur Sicherung des Hinterlandes, für die sie entlohnt wurden. Der Landesarchäologe bezeichnet Echzell als derzeit einzigen Ort am Limes, an dem sich das Eindringen der Germanen und der Rückzug der Römer sowie deren Verhältnis zueinander unter verschiedenen Gesichtspunkten erforschen lassen.
Germanische Großfamilien und geschickte Handwerker
Die Grabungen liefern auch Erkenntnisse, wie germanische Stämme in der Spätantike gelebt haben. Die Existenz einer frühgeschichtlichen Siedlung auf neuem Bauland war Archäologen schon seit längerem bekannt. Immer wieder waren dort bei der Feldarbeit Tonscherben, Reste von Werkzeugen aus Metall und Knochen zum Vorschein gekommen. Seit man der Sache auf den Grund gegangen ist, hat sich herausgestellt, dass die Bewohner des Weilers nicht nur Landwirtschaft betrieben, sondern auch handwerklichen Tätigkeiten nachgingen.
Anhand von Fundamenten, Pfostengruben oder Resten von Pfeilern ließen sich zwei Typen von Bauwerken rekonstruieren: Dabei handelt es sich um Bauten, die Bauernhäusern ähneln, wie sie im Grundriss bis in die Neuzeit vor allem im ländlichen Norddeutschland verbreitet waren. Wohntrakt, Stallungen und Vorratsräume befanden sich unter einem Dach; die Häuser waren von Großfamilien bewohnt. Das Grabungsteam legte ferner Reste sogenannter Werkhütten frei. Das sind Häuser, die für Handwerker errichtet wurden, um Gegenstände des täglichen Bedarfs aus verschiedenen Materialien zu fertigen. Zu den Fundstücken aus einer der Werkstätten zählen aus Horn gefertigte Griffel und Kämme ebenso wie verschiedene Geräte aus Metall und Holz, die zur Zubereitung von Mahlzeiten oder für die Feldarbeit dienten.
Quelle: Faz.Net / Von Wolfram Ahlers
18.08.08
Als Germanen den römischen Besatzern folgten
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