16.08.08

Büste gefunden – So sah Caesar wirklich aus

Der Fund ist sensationell: Französische Archäologen entdeckten im Flussbett der Rhône eine Büste von Gaius Iulius Caesar. Es soll ein Porträt zu Lebzeiten sein, alle bisher bekannten Caesar-Köpfe sind später entstanden. Überraschend: Der Feldherr und spätere Kaiser sieht anders aus, als wir ihn kannten.


Diese Büste soll den römischen Feldherrn und Kaiser Gaius Iulius Caesar zeigen. Unterwaserarchäologen fanden das Stück im Flussbett der Rhone bei Arles.

„Er wird geschildert als ein Mann von hohem Wuchs, weißer Hautfarbe, wohlgerundet schlanken Gliedern, einem etwas vollen Gesicht, schwarzen lebhaften Augen und guter Gesundheit“, beschreibt der römische Chronist Sueton (um 70-130/40) den Mann, mit dem er seine Reihe der römischen Kaiser anheben lässt: Gaius Iulius Caesar.
Als kaiserlicher Hofbeamter konnte Sueton dabei aus zuverlässigem Archivmaterial schöpfen. „In der Pflege des Körpers war er (Caesar) fast zu peinlich, so dass er sich nicht nur sorgfältig scheren und rasieren ... ließ und sich über die eintretende Entstellung durch eine Glatze gar nicht zufrieden geben konnte, zumal da er deshalb häufig Witze seiner Feinde ertragen musste. Daher hatte er sich gewöhnt, das spärliche Haar über den Scheitel von hinten nach vorne zu legen.“
Dass er nun eine Büste gefunden habe, für die dieser Mann einst Porträt saß, darin ist sich der französische Altertumsforscher Luc Long sicher: „Ich habe ihn sofort erkannt“, als Unterwasserarchäologen im Flussbett der Rhône bei Arles das monumentale Stück ans Licht brachten.

Nur etwa 20 Bilder haben sich erhalten
Eine Entdeckung ersten Ranges, wenn man bedenkt, dass sich nur 20 bis 25 Abbilder des römischen Feldherrn und Diktators aus der Antike erhalten haben. Zur Sensation aber wird der Fund, wenn sich die Deutung der Forscher bestätigen sollte: Das Bild aus Arles soll das einzige sein, das noch zu Lebzeiten Caesars entstand.
Zwischen 49 und 46 v. Chr. soll die Büste gemacht worden sein. Sie wäre demnach älter als der Caesar-Kopf von Tusculum, der gemeinhin in das Jahr 44, in Caesars Todesjahr, oder später datiert wird.

Am wahrscheinlichsten gilt 46, das Jahr, in dem gemeinhin die Gründung von Arles angenommen wird. Damals war Caesar 54 Jahre alt, hatte zwei Jahre zuvor Pompeius bei Pharsalos besiegt, Alexandria erobert, mit der Königin Kleopatra einen Sohn gezeugt und – im April 46 – bei Thapsus in der Provinz Africa die letzten Senatstruppen unter Metellus Scipio und Cato vernichtet.

Er war ein Mann auf dem Höhepunkt seiner Macht, als er begann, seine Veteranen, die ihn dorthin gebracht hatten, mit Ländereien abzufinden. Teile seiner sechsten Legion wurden in der Kolonie Arelate angesiedelt, dem heutigen Arles, möglicherweise auch stadtrömisches Volk, dem der nun allmächtige, vom Senat zum Diktator auf zehn Jahre ernannte Caesar aus der berstenden Hauptstadt Rom in den Provinzen Land zuwies.


Es könnte die älteste Darstellung Caesars überhaupt sein - und die einzige, die zu Lebzeiten entstanden ist.

Das Gesicht sei "traumhaft erhalten"
Das Bild aus der Rhone zeigt durchaus einen Mann, der einiges erlebt hat. Immerhin führte Caesar seit dem Jahr 58, als er als Statthalter der gallischen Provinzen mit der Eroberung ganz Galliens begonnen hatte, Krieg, hatte mehrfach Niederlage und Tod ins Auge geschaut und war zahllose Kilometer marschiert. Die enormen Gesichtsfalten des Gesichts, der massige Kopf, der keineswegs üppige Haarschmuck, all das stellt das neu gefundene Porträt in die Reihe der Adelsbildnisse der römischen Republik, die im Gegensatz zu ihren griechischen Vorbildern wenig idealisierend gestaltet, sondern um individuelle Züge bemüht sind.
Trotz der ungewöhnlich starken Falten will auch Hansgerd Hellenkemper, Direktor des Römisch-Germanischen Museums in Köln, in dem Fund ein Porträt Caesars erkennen. Das Gesicht sei „traumhaft erhalten“, trage „republikanische Züge“, sei aber wohl eher in die augusteische Zeit zu datieren. Den Kollegen in Arles, ausgewiesene Experten auf dem Gebiet römischer Porträts, sei ein „kapitaler Fund“ gelungen. Diesen nach dem Material zu datieren, halte er für ausgeschlossen, dies sei nur anhand von Stilmerkmalen möglich. Schon jetzt aber steht für Hellenkemper fest: „Um dieses Porträt lohnt sich eine europäische Diskussion.“
Auch der Dresdner Althistoriker und Caesar-Biograf Martin Jehne nennt den Fund aus der Rhone eine Sensation und ein spektakuläres Beispiel für die verbesserten Methoden der Unterwasserarchäologie. Gleichwohl kritisiert er die Schlussfolgerungen, die Luc Long aus seiner Entdeckung zieht. Der sagt, „dass die Büste in den Fluss geworfen wurde, nachdem Caesar ermordet worden war. Es wäre damals nicht gut gewesen, als ein Anhänger von ihm zu gelten.“

Die Caesarianer in Gallien
Diese Deutung übersieht, sagt Jehne, dass schon wenige Tage nach dem Attentat auf Caesar an den Iden des März (15. März) 44 Caesarianer und seine Mörder einen Kompromiss aushandelten. Demnach wurden diese nicht verfolgt. Aber die Acta Caesaris, die Verfügungen, ja selbst die Pläne des toten Diktators sollten weiterhin volle Gültigkeit haben, worüber kein Geringerer als sein Konsul-Kollege und enger Mitarbeiter Marcus Antonius wachte.
In der kurzen Zeitspanne zwischen der Nachricht von seinem Tod und dem politischen Waffenstillstand hätte kaum eine Gemeinde mit dem Bildersturm begonnen, vor allem nicht, wenn sie in großen Teilen aus Veteranen Caesars bestand. Die hätten eher zu den Waffen gegriffen und sich den Caesarianern zur Verfügung gestellt. Schließlich verdankten sie ihrem Feldherrn nicht nur die Gründung der Kolonie, sondern auch die Ländereien, von denen sie lebten.
Die neu gefundene Caesar-Büste passt vielmehr in einen anderen historischen Zusammenhang. Nach seinem Sieg über die Söhne des Pompeius bei Munda in Spanien im Jahr 45 beschloss der Senat umfangreiche Ehrungen. Caesar wurde zum Diktator auf Lebenszeit ernannt. Und in allen Städten sollten Statuen von ihm aufgestellt werden, sogar bei den Klientel-Königen, wie der Historiker Appian berichtet.

Ist die Büste „Teil des Weltkulturerbes"?
Das bedeutet, dass in den wenigen Monaten zwischen Caesars Rückkehr nach Rom und seiner Ermordung Massen von Standbildern entstanden oder zumindest in Angriff genommen worden sein müssen. Quellen berichten, dass nach den Iden des März einige Bilder in Rom aus dem Verkehr gezogen wurden, um umgearbeitet zu werden, was auf eine regelrechte Großproduktion schließen lässt. Das Caesar-Bildnis von Tusculum könnte in diesem Zusammenhang entstanden sein. Dafür muss es Vorbilder gegeben haben, vielleicht (auch) das Bildnis aus der Rhône. Das würde den Neufund in der Tat zu einem „Teil des Weltkulturerbes“ machen, wie Luc Long sagt.
Bleibt am Ende die Frage, warum bislang nur ein Porträt gefunden wurde, das zu Lebzeiten Caesars entstanden ist. Auch das hat viel mit der großen Politik zu tun. Im Osten entfesselten die Caesar-Mörder schließlich den großen Krieg gegen seine Anhänger und werden kaum pfleglich mit den Statuen umgegangen sein.
Später, nach seinem blutigen Sieg, hatte Caesars Adoptivsohn Octavian wenig Interesse, seine Herrschaft in die Tradition des Ahnen zu stellen. Der stand schließlich für die Entfesselung des Bürgerkriegs und offen zur Schau getragene monarchische Ambitionen nach orientalischem Muster. Davon wollte sich Augustus, der sich als Erster Bürger (Princeps) darstellte, bewusst abheben und unterließ ausgeprägte propagandistische Ahnenverehrung.
Erst Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. wurde Caesar als Begründer des Kaisertums erkannt und entsprechend präsentiert – dann aber mit den ikonografischen Mitteln des Kaiserreichs wie edlen Gesichtern und fein gearbeitetem Haar. Die erhaltenen Caesar-Darstellungen dieses Typs aber haben nur wenig mit den strengen Zügen des Mannes gemein, den das Bild aus der Rhône zeigt.

Quelle: Welt.de

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