07.08.08

Die neuen Nibelungen von Worms

Immer anders: Zum siebten Mal werden die Nibelungen-Festspiele in Worms gegeben. Am historischen Ort vermischt sich Junges und Altes zu neuer Synergie - und das Nibelungenlied erscheint zeitlos aktuell.

Der "älteste Krimi der deutschen Literaturgeschichte" - für Dieter Wedel, den Leiter Nibelungen-Festspiele, ist die berühmte Sage um Siegfried, Hagen, Kriemhild und Brunhild nichts anderes. In diesem Jahr kommt in Worms vom 1. bis 17. August ein besonderes Stück auf die Bühne. Deshalb hat man das Ganze "Die Neuen Nibelungen" genannt. Um die Rolle Brünhilds zu betonen, werden am Originalschauplatz des Nibelungenliedes in Worms zwei Stücke statt einem aufgeführt: "Siegfrieds Frauen" und "Die letzten Tage von Burgund" im täglichen Wechsel.

Emporgehoben und geerdet
ie größte Änderung aber ist die Sprache. Wedel hat den Bühnenklassiker von Friedrich Hebbel mit der modernen Fassung von Moritz Rinke verwoben. "Es ist ein Experiment, die Sprache Hebbels unmittelbar auf die Sprache Rinkes treffen zu lassen", sagt Wedel." So stehen alt und neu nebeneinander. "Ich finde, der frech-sarkastische Ton von Rinke wird durch Hebbel emporgehoben und die Wort-Arien von Hebbel werden durch Rinke etwas geerdet. Das hat einen Synergie-Effekt." Dieser scheint zu funktionieren: Die beiden Premieren wurden vom Publikum bejubelt.

Brünhild, die mächtige Frau und ihr Mann, der schwache König Gunther; die Verschwörung zum Mord an Siegfried, dem fast Unbezwingbaren - dies ist eine Schlüsselszene des Stücks, gespielt von Meret Becker und Roland Renner vor der spektakulären Kulisse des Kaiserdoms. Es gehört zu Wedels Erfolgsrezept, immer wieder prominente Schauspieler nach Worms zu holen. Mario Adorf, Joachim Krol und Maria Schrader waren schon engagiert. André Eisermann, der mit dem Film Kaspar Hauser berühmt wurde, spielt bereits seit mehreren Jahren den König Giselher - er ist gebürtiger Wormser. "Die Nibelungen sind etwas Hochaktuelles. Was da bei den Nibelungen abgeht, das geht auch in der Welt ab."

Nibelungen als Spiegel
Die Nibelungen-Sage als Spiegel unserer Gesellschaft - das ist auch für Wedel der Dreh- und Angelpunkt seiner Interpretation. "Ich will von einem Königshof erzählen, der vor der Wirklichkeit davon läuft. Da naht der Krieg, aber die sitzen nur rum und sagen: Sänger, sing uns etwas. Das kommt mir bekannt vor. Sind wir nicht in einer ähnlichen Zeit? Dass die Leute weglaufen vor der Wirklichkeit, weil sie so kompliziert, düster und bedrohlich scheint - und sich lieber 'Deutschland sucht den Superstar' ansehen."

Auch die Figur des Helden Siegfried ist für Wedel in die Gegenwart übertragbar. Der konnte zwar einen Drachen töten und Königreiche erobern, doch durch eine Intrige wird er besiegt. Begegnen wir nicht dauernd Leuten, die sich für unverwundbar halten? Und dann erfahren wir fast jede Woche, wie diese Unverwundbaren doch irgendwo einen verwundbaren Punkt haben und stürzen. Das ist von der VW-Affäre bis Siemens überall zu verfolgen."

Quelle: dw-world.de

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