Ein eigensinniges Bergvölkchen will unabhängig sein. Ende des 13. Jahrhunderts schließen einige Orte in den Westalpen ein Bündnis gegen die Landeshoheit der Habsburger; eine freie Eidgenossenschaft im Heiligen römischen Reich deutscher Nation. Die Grundlage der heutigen Schweiz.
Die kriegerischen Eidgenossen verstehen, ihr Territorium zu verteidigen und neues dazu zu erobern. Bis sie eine entscheidende Schlacht verlieren. Statt sich zu unterwerfen, erfinden die Eidgenossen einen einzigartigen politischen Schachzug. Am 14. September 1515 erklären sie, keine Angriffskriege mehr zu führen und die Expansionspolitik einzustellen. Die Schweiz wird neutral. Nationalrat Prof. Dr. Christoph Mörgeli aus Zürich weiß, warum sie tatsächlich unbehelligt bleibt.
Nationalrat Prof. Dr. Christoph Mörgeli: "Das heilige Reich deutscher Nation war damals nicht so besonders geeinigt, dass ein einheitliches Vorgehen denkbar gewesen wäre. Es ist in der Tat so, dass sich mehr und mehr die Neutralität durchsetzt, die wahrscheinlich auch in einem gewissen Interesse der europäischen Mächte lag. Insbesondere Schweizer, deren militärische Fähigkeiten man schätzte, betätigten sich als Söldner an den europäischen Höfen."
Durch Söldner tragen die Eidgenossen ihre kriegerische Tradition auch nach der Niederlage von Marignano weiter. Der Papst in Rom ordert Schweizer Gardisten als Leibwache, eine Tradition, die bis heute besteht. Gerade die Religion wird zur Bewährungsprobe für die Neutralität der Schweiz. Calvin und Zwingli tragen den Protestantismus ins Land. Zwischen Reformierten und Papsttreuen tut sich ein Graben auf.
Prof. Dr. Mörgeli: "Zuerst war die Neutralität vornehmlich ein Mittel zur inneren Einigung. Wir müssen bedenken, dass mit der Reformation die Schweiz ja vollständig gespalten war und an den Rand des Bruches immer wieder kam. Die Neutralität erwies sich insofern als günstig, als sich eben Europa nicht einmischte und als auch die einzelnen Orte nicht andere Mächte zu Hilfe riefen. Und im Dreißigjährigen Krieg hat sich tatsächlich die Schweiz abseits halten können und wurde nicht in die Katastrophe hineingezogen."
Den Dreißigjährigen Krieg überlebt die neutrale Schweiz unbeschadet, die Französische Revolution und die napoleonischen Kriege nicht mehr. Unter der Herrschaft Napoleon Bonapartes fällt das Gebiet der Schweiz teils an das Kaiserreich Frankreich, teils an das Königreich Italien, ebenfalls regiert von Napoleon. Zehn Jahre unter französischer Herrschaft werden sie die einzigen bleiben, die die mittlerweile fast 500 Jahre währende Neutralität der Schweiz unterbrechen. Ein Erfolgsmodell. Wie der Historiker Christoph Mörgeli weiß, nicht von ungefähr:
Prof. Dr. Mörgeli: "Die Schweizer waren realistisch genug zu wissen, dass die Neutralität an sich keinen Schutz bedeutet. Die Neutralität war immer eine bewaffnete und zwar eine erstaunlich stark bewaffnete. Man hat sich also auf eine allgemeine Wehrpflicht und sehr überdurchschnittliche Wehranstrengungen zusätzlich verlassen. Und das war natürlich mit ein Grund, dass die Schweiz nicht in den Ersten und Zweiten Weltkrieg mit hineingezogen wurde. Der Eintrittspreis wurde dann doch als zu groß erachtet, auch von großen europäischen Mächten."
Auch im Zuge wachsender Globalisierung, der europäischer Einigung und ihrer Mitgliedschaft in der UNO (seit 2002) ist die Schweiz eine neutrale Insel mitten in Europa.
Prof. Dr. Mörgeli: "Die führenden Leute in Politik, Diplomatie und Verwaltung tun sich heute zunehmend schwer mit der Neutralität. Umgekehrt ist die Neutralität im Schweizer Volk sehr gut verankert, weil sie natürlich auch einen Aspekt hat, was die freie Meinungsäußerung der Bürger betrifft. Der Staat darf nicht die Meinung der Bürger nach außen vertreten, weil eben der Bürger sagt, ja, ich bin nicht gefragt worden!"
Und wahrscheinlich werden die freien Eidgenossen noch lange dafür sorgen, dass die Schweiz bleibt, was sie seit 500 Jahren ist: Unabhängig, selbstbewusst und neutral.
14.09.08
14.9.1515: Schweiz wird neutral
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