Baggerfahrer achten in Kaliningrad mit Forscherblick auf alles, was sie so aus der Erde schaufeln. Unter der Topographie der sowjetischen Nachkriegszeit liegt das alte Königsberg begraben. Doch Archäologen haben ein Problem.
In Kaliningrad haben russische Archäologen verschollene Exponate der Königsberger Prussia-Sammlung geborgen. Nun fehlt ihnen das Geld zur Restaurierung der Objekte, die einst zu einer der berühmtesten archäologischen Sammlungen Europas gehörten. Die Frühgeschichtler hoffen auf Hilfe aus Deutschland.
Selbst Baggerfahrer achten in Kaliningrad mit Forscherblick auf alles, was sie so aus der Erde schaufeln, denn die Stadt hat einen doppelten Boden. Unter der Topographie der sowjetischen Nachkriegszeit mit ihren autobahnbreiten Straßenschneisen und tristen Wohnblocks liegt das alte Königsberg begraben. Jahrzehntelang führten dessen verschüttete Keller ein Geisterleben. Offiziell waren sie tabu, doch dadurch lieferten sie nur umso lebhafter Stoff für Legenden aus der versunkenen Hauptstadt Ostpreußens.
Auch in der Sergejew-Straße, wo vor ein paar Wochen mit dem Bau eines Hotels begonnen wurde, gab die Erde Schätze frei. Am Westufer des Schlossteiches logierten einst die Freimaurer in prachtvollen Backsteinbauten aus dem 18. Jahrhundert. Deren zerbombte Ruinen ebnete man in den 1950er Jahren ein, doch die Keller blieben unversehrt. Unter den Gewölberesten der einstigen Loge «Zu den drei Kronen» stieß man auf mehr als 2000 Keramikfragmente, Bronzeschmuck, prähistorische Pfeilspitzen und Streitäxte aus der Prussia-Sammlung.
«Keinen Zweifel mehr»
«Als wir die alten deutschen Signaturen sahen, gab es keinen Zweifel mehr», sagt Konstantin Skworzow. Der Archäologe am Kaliningrader Gebietsmuseum setzt die Scherben daheim zusammen, weil das Museum dafür kein Geld hat. Der ohnehin knappe Etat wurde wegen der Finanzkrise noch um die Hälfte gekürzt. «Eigentlich können wir nur auf Hilfe aus dem Ausland hoffen», meint Skworzow.
Derweil hat er seine winzige Küche zur Archäologie-Werkstatt umfunktioniert und kittet nun zwischen Kühlschrank, Spüle und Stapeln von Fachbüchern ein frühgeschichtliches Puzzle zusammen. Ein paar Gefäße nehmen schon Gestalt an. Es sind Grabbeigaben aus bronzezeitlichen Siedlungen, einst ergraben von deutschen Archäologen, die die Funddaten auf den Ton schrieben. «Langendorf, Nr. 46» ist auf dem Rand einer Schüssel zu entziffern. «Jedes wiederentdeckte Prussia-Exponat ist für uns ein Schatz. Diese aber sind ein kleines Wunder, denn von den Keramiken blieb so gut wie nichts erhalten», sagt Skworzow.
Sensationsfund
Dem Fachmann in Sachen Prussia-Sammlung gelang zusammen mit einem Kollegen vor zehn Jahren im sogenannten Königsberger Fort Nr. 3 der Sensationsfund: Tief unten in den Kasematten der Bastion am nördlichen Stadtrand bargen die Archäologen 28 000 Prussia-Exponate.
Es war der bislang größte Fund der seit 1945 nahezu komplett verschollenen Kollektion. Sie umfasste 240.000 Exponate von der Steinzeit bis in das Hochmittelalter: Waffen, Bernsteinschmuck und Gold der Wikinger. Das zur Ausstellung geschaffene Prussia-Museum residierte im prächtigen Südflügel des Königsberger Schlosses.
Der Krieg hat dieses grandiose Panorama der Frühgeschichte Altpreußens in alle Winde zerstreut. Nach den Luftangriffen auf Königsberg 1944 brachte man Teile des berühmten Fundus an bombensichere Orte. Die kostbarsten Stücke aber blieben in Königsberg. In Kisten verstaut, lagerte man sie in den Kasematten des «Fort Nr.3» ein, der größten Bastion des städtischen Festungsrings.
Juwelen
Nach Kriegsende durfte der Museumsschatz der Deutschen jahrzehntelang ungestraft geplündert werden. Soldaten und Offiziere der Sowjetarmee griffen zu. Sie ließen sich aus Römermünzen Schmuck anfertigen oder nahmen masurische Goldfibeln als Souvenirs mit nach Hause. In der Kantine des Forts wurden mit einem bronzezeitlichen Schwert, von dem die europäische Archäologie nur zwei Exemplare kennt, Fleischportionen zurechtgehackt. Später holten sich Raubgräber das, was die Soldaten übrig gelassen hatten. Exponate tauchten auf dem Schwarzmarkt auf. Dort entdeckte Kostja Skworzow die signierten Stücke. Die Spur führte in das Fort und zur Sensation Ende 1999.
Mit deutscher Hilfe gelang es, die geborgenen Exponate fachgerecht zu restaurieren - finanziert von der Hamburger Zeit-Stiftung. Die zur 750-Jahrfeier Königsberg im Sommer 2005 eröffnete «neue» Prussia- Sammlung zählt zu den Juwelen der Ausstellung im Kunsthistorischen Museum. Auf ein ähnliches deutsch-russisches Gemeinschaftswerk hofft Archäologe Skworzow nun wieder
Quelle: netzeitung.de
14.04.09
Forscher in Kaliningrad bergen Prussia-Schätze
Tags: Antike, Ausgrabungen, Völker
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