07.06.09

7.6.1494: Spanien und Portugal teilen die Welt

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum die offizielle Landessprache in ganz Lateinamerika Spanisch, sie aber nur in Brasilien, dem größten Land des Kontinents, Portugiesisch ist? Und hätten Sie gedacht, dass diese scheinbar ureigen-südamerikanische Entscheidung der in Italien residierende Herr über die Christenheit, der Papst, herbeigeführt hat?

Sie ahnen schon: Die Angelegenheit wurde in längst vergangenen Tagen entschieden, als sich die Befugnisse der Päpste mitunter auch auf ganz irdische Umstände bezogen, und als es noch zahlreiche Regionen der Welt gab, von deren Existenz niemand etwas wusste, und zu denen man sich deshalb aufmachte, sie zu entdecken und besetzten.

Es war am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, als Papst Alexander VI. im Streit zwischen Portugal und Spanien um diese neuentdeckten und noch zu entdeckenden Länder vermittelte.

Am 7. Juni 1494 schlichtete der Papst den Konflikt zwischen den beiden Kolonialmächten im Vertrag von Tordesillas. Mit einer willkürlichen Trennungslinie, die den südamerikanischen Kontinent von Nord nach Süd durchschnitt, legte er die spanischen und portugiesischen Herrschaftsansprüche fest. Eine Folge des päpstlichen Schlichterspruchs von 1494 ist die sprachliche Erscheinung, wie wir sie heute noch sehen.

Aber der Reihe nach: Kolumbus hatte im Auftrag des spanischen Königspaares, Ferdinand von Aragón und Isabella von Kastilien, soeben Amerika entdeckt. Rasch waren die Küstengebiete weiter Teile Mittel- und Südamerikas erschlossen worden.

Wie selbstverständlich erhoben die Spanier Anspruch auf die Beherrschung dieses Teils der Welt, das schließlich ein in ihrem Auftrage und unter spanischer Flagge segelnder Genuese entdeckt hatte. Auch der Entdecker selbst, Kolumbus, sah es so: In seinem Bordbuch schreibt er über seine Ankunft auf den Südamerika vorgelagerten Inseln, er habe nachdem er die königliche Flagge errichtet habe die beiden Kapitäne der anderen Schiffe und die gesamte Besatzung herbeigerufen.

Kolumbus: "Ich habe ihnen gesagt, sie sollen durch ihre persönliche Gegenwart als Augenzeugen davon Kenntnis nehmen, dass ich im Namen des Königs und der Königin, meiner Herren, von der Insel Besitz ergreife."

So einfach schien das: Neu entdeckte Inseln und Länder galten unabhängig davon, ob sie bewohnt waren oder nicht, als herrenlos und gehörten dem, der sie als erster gefunden und besetzt hatte.

Schließlich war auch Portugal jahrelang so verfahren und hatte sich auf diese Weise einen ansehnlichen Herrschaftsbereich in Westafrika gesichert. Die Portugiesen, die bereits seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert Segler unter ihrer Flagge auf Entdeckungstouren schickten, brauchten jedoch lange keine Konkurrenz zu fürchten - bis Spanien, das bislang mit der Sicherung des eigenen Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel beschäftigt war, auf den Plan trat.

Die Konkurrenz war für die Portugiesen ungewohnt, zumal für sie feststand, dass es an ihnen sei, die "Länder der Ungläubigen" zu erobern, die Bewohner zu versklaven und sich ihres Besitzes zu bemächtigen. Das hatten sie sich sogar 1455 vom damaligen Papst Nikolaus V. bestätigen lassen. Natürlich ging es weniger um die christliche Mission, sondern vielmehr um den wirtschaftlichen Profit, um die erwarteten Reichtümer und Schätze fremder Länder. Aber das machte die Sache nicht eben leichter.

Als die Portugiesen den Spaniern dann auch noch mit ihren von Papst Nikolaus autorisierten Ansprüchen kamen, versuchten die Spanier flugs sich der Zustimmung des neuen Papstes Alexander VI. zu versichern.

Der Papst brauchte einige Versuche, ehe sich beide Seiten zur Einigung bereit erklärten und sie seine Trennungslinie akzeptierten. Abgesehen von der östlichen Küstenregion waren allerdings weite Teile des südamerikanischen Kontinents noch unbekannt, so dass die päpstliche Trennungslinie keineswegs in der Mitte des Landes verlief. Wenn das die Portugiesen gewusst hätten! Sicher hätten sie an der Allmacht des Papstes gezweifelt, und gewiss hätten sie die päpstliche Weltherrschaft, die Oberhoheit des Papstes auch über alle Heidenvölker angezweifelt.

So erklärten sich sowohl die Spanier als auch die Portugiesen erst einmal mit der Aufteilung der bekannten Welt einverstanden. Dass mit immer neuen Entdeckungen und immer neuen Entdeckern bald wieder Streit entstand, war am 7. Juni 1494 noch nicht abzusehen.

Aber auch die päpstlichen Zuständigkeit blieb nicht lange unangefochten. Länger dauerte es, bis auch die Herrschaftsallüren der christlichen Kolonialherren über die sogenannten Heidenvölker zweifelhaft wurden.


Teil eines Projekts über "antike Traditionen in der Legitimation staatlicher Systeme" der Technischen Universität Berlin. Die spanische Herrschaft in Amerika aus dem Zeitraum von 1492-1542 wird in einem ausführlichen Text untersucht.



Artikel aus dem Archiv Rheinzeitung vom 6.7.1999 über ein Jahrtausend der Entdecker und Eroberer, von Columbus bis zur Reise zum Mond. Dabei werden die unterschiedlichen Kapitel des Kolonialismus nachgezeichnet.

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