Um die heidnischen Friesen von der Machtlosigkeit ihrer Götter zu überzeugen, fällte der heilige Bonifatius im Jahr 723 in der Nähe der thüringischen Stadt Geismar eine dem Gott Donar (Thor) geweihte Eiche.
Die Szene ist vielfach dargestellt worden, vor allem in historisierenden Gemälden des 19. Jahrhunderts. Natürlich war sie auch Bestandteil des aufwändigen Freskenschmucks, mit dem die Basilika St. Bonifatius in München um 1840 ausgestattet wurde. Insgesamt 22 Episoden aus dem Leben des Heiligen hat der Maler Heinrich von Hess dort in monumentalen Fresken festgehalten. Die durch alliierte Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstörte Kirche wurde zwar in den 1950er Jahren wieder aufgebaut, doch wurden die Fresken dabei nicht rekonstruiert. Allerdings gibt es einen Lithographie-Zyklus nach den Fresken in der Bonifatius-Kirche, der sich im Besitz des Vonderau Museums in Fulda befindet.
Die Szene, in der Bonifatius die Donareiche fällt, hat der Maler besonders dramatisch ausgestaltet. Im Vordergrund ist der Heilige zu sehen, wie er zu einem kraftvollen Schlag ausholt. Im Hintergrund hebt ein heidnischer Priester abwehrend die Hand, weil er den Zorn Donars fürchtet, wie auch die Menschen hinter ihm, die vor Angst davonlaufen. Auf einem Stein liegt ein Widder, den der heidnische Priester in diesem Augenblick wohl opfern wollte. Zur Feier dieses Opfers ist die Eiche mit Girlanden umwunden. Natürlich blieb der Zorn Donars aus, was die Friesen umso mehr verwundert haben mag, als er doch der Gott des Donners war. Mit solchen spektakulären Aktionen gewann Bonifatius die Menschen für das Christentum, die germanischen Götter und ihre Kultstätten verschwanden in der Geschichte. Und doch verwenden die Menschen nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sondern auch in England und den skandinavischen Ländern noch immer seinen Namen, wenigstens einmal in der Woche. Denn von dem germanischen Gott Donar ist der deutsche „Donnerstag“ ebenso abgeleitet wie das englische „Thursday“ oder das dänische „torsdag“. Das hätte dem heiligen Bonifatius kaum gefallen…
Der aus dem Südwesten Englands stammende „Apostel der Deutschen“ wurde bereits als siebenjähriges Kind von seinen Eltern in ein Kloster gegeben. Im Alter von etwas über 30 Jahren unternahm er 716/17 seine erste Missionsreise zu den Friesen, kehrte aber bald wieder nach England zurück, wo er zum Abt seines Klosters gewählt wurde. Doch sein eigentliches Streben galt fortan der Mission. Zu aller erst aber reiste er nach Rom. Für Bonifatius war Rom das Zentrum, an dem sich alle Christen orientieren sollten. Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, dass Bonifatius von Papst Gregor II. persönlich den Auftrag zur Missionierung Germaniens erhalten hat. In der Folge predigte Bonifatius neuerlich bei den Friesen, danach bei den Hessen, wo er 744 in Fulda ein Kloster gegründet hat, das in der Folge zum Ausgangspunkt seiner Missionstätigkeit wurde. Doch die Missionierung allein genügte ihm nicht; er wollte die Kirche Germaniens von Grund auf organisieren und an Rom ausrichten. Daher reiste er 722 ein weiteres Mal in die „ewige Stadt“, wo er zum Bischof geweiht wurde. Wieder im Norden angekommen, setzte er sein Missionswerk bei den Hessen fort. 725 zog Bonifatius weiter nach Thüringen, das wie Hessen in bedrohlicher Nähe zu den heidnischen Sachsen lag.
Wie man sich im 19. Jahrhundert die Missionsreisen des Heiligen vorgestellt hat, zeigt ein weiteres Bild aus dem Fuldaer Lithographie-Zyklus. Mit erhobenem Kreuz spricht Bonifatius zu friesischen Familien, die ihm aufmerksam zuhören. Wilde Haare und Bärte weisen sie als Angehörige eines von der westlichen Zivilisation noch nicht erreichten Volkes aus. Am rechten Bildrand knien zwei Männer, denen ein Mönch offensichtlich gerade die Taufe spendet.
In Rom wusste man um den Wert Bonifatius’ und ernannte ihn 732 zum Erzbischof. Dies war die Voraussetzung dafür, dass Bonifatius die kirchliche Landschaft in den missionierten Gebieten durch die Weihe von Bischöfen und die damit verbundene Gründung neuer Bistümer noch eindeutiger an Rom ausrichten konnte, so wie es seinem Traum von einer universalen christlichen Kirche entsprach. So verdanken unter anderem die Bistümer Erfurt, Würzburg und Eichstätt ihre Gründung dem heiligen Bonifatius. 737 brach Bonifatius zu seiner dritten Reise nach Rom auf, die ihm die Ernennung zum päpstlichen Legaten für Germanien einbrachte. Im Alter von fast 80 Jahren kehrte er noch einmal zu seinen Wurzeln zurück: Er predigte den Friesen das Wort Gottes. Am 5. Juni 754 wollte er in Dokkum das Sakrament der Firmung spenden. Doch in den frühen Morgenstunden wurde das Lager des Erzbischofs überfallen, Bonifatius getötet. Der Missionar Germaniens war wohl nicht wegen seines Glaubens getötet worden, sondern einem Raubmord zum Opfer gefallen…
Auch diese Episode ist natürlich Bestand des Lithographie-Zyklus im Vonderau Museum. Ein nur spärlich bekleideter Friese, der sich ein Wildschweinfell samt Kopf umgehängt hat, sticht auf Bonifatius ein. Andere Mönche werden mit Axthieben und Speeren ermordet. Der Heilige ist bereits zusammengesunken. In seiner Hand hält er ein Buch, mit dem er sich vor den tödlichen Hieben schützen wollte. Tatsächlich ist im Dom-Museum in Fulda das Faksimile einer Evangelienhandschrift des 7. Jahrhunderts mit deutlichen Hiebspuren zu sehen, die einer Legende zufolge ebenjenes Buch ist, das Bonifatius schützend über sich gehalten hat.
Quelle: Arte.Tv (Uwe A. Oster )
14.04.08
Machtlose Götter der Germanen
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