29.05.08

29.5.1453: Konstantinopel erobert

Im Jahr 395 nach Christus spaltet sich das römische Imperium. Brennpunkt der Macht wird das Oströmische Reich. Seine Hauptstadt ist Byzanz, die antike Handelsstadt am Bosporus. Kaiser Konstantin der Große tauft sie um in "Konstantinopel". Die Kultur ist römisch-griechisch, der Glaube auf Geheiß des konvertierten Kaisers christlich. Über tausend Jahre lang, dann überrennen Turkstämme aus den Steppen Kleinasiens die Stadt.

Prof. Dr. Peter Schreiner: "Diese Osmanen waren ursprünglich relativ friedlich. Sie sind von den Byzantinern überhaupt nicht beachtet worden. Wie die jüngste Forschung gezeigt hat, waren diese Osmanen den Byzantinern sogar nützlich, denn sie haben Weidewirtschaft betrieben und trugen so zur Versorgung Konstantinopels bei."

Professor Doktor Peter Schreiner lehrt Byzantinistik an der Universität Köln. Und er weiß, dass der Frieden auf Dauer trügerisch ist. Konstantinopel ist zwar mit 300.000 Einwohnern für mittelalterliche Verhältnisse riesig, aber die Jahrhunderte schwächen den Moloch. Irgendwann werden nur noch 30.000 Einwohner übrig sein. Das Reich bröckelt.

Prof. Dr. Peter Schreiner: "Diese Schwäche ist zurückzuführen auf Ereignisse, die ihren Kernpunkt in der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer im Jahre 1204 haben. Im Jahr 1204 ist das byzantinische Reich in Teilreiche zerfallen. Diese militärische Schwäche ist den Osmanen bewusst geworden."

Sultan Mehmed der Eroberer greift zu. Er träumt von einem osmanischen Weltreich, und Konstantinopel soll die Hauptstadt werden. Mehmed gelingen zwei Überraschungsaktionen. Zunächst lässt er neuartige Kanonen gießen, die Größten der Welt. Die Stadtmauern fallen. Dann schafft er siebzig Kriegsschiffe in den Hafen, über Nacht und quasi durch den Hintereingang. Vom Meer über eine schmale Landzunge werden sie von seinen Truppen ins Hafenbecken getragen. Kaiser Konstantin, Namensvetter des legendären ersten Christenkaisers, muss zusehen, wie seine Stadt fällt.

Kritobulos von Imbros, ein Zeitzeuge, schreibt: "Als er sah, dass die Feinde ihn zurückdrängten und durch die Mauerbresche glorreich in die Stadt hereinströmten, soll er mit lauter Stimme diese letzten Worte gesprochen haben: 'Die Stadt wird erobert, und ich lebe noch?' Und damit habe er sich mitten unter die Feinde gestürzt und sei niedergehauen worden."

Von den europäischen Metropolen der Zeit, Rom, Venedig oder Genua, kommt keine Hilfe. Querelen untereinander lenken sie ab. Ost-Rom ist längst uninteressant geworden. Sultan Mehmed tauft das ehemalige Herz der orthodoxen Christenheit um. Was zuerst Byzanz und dann Konstantinopel war, heißt jetzt Istanbul. Die christliche Religion wird zwar nicht verboten, aber Staatsreligion ist jetzt der Islam. Als erstes werden in den Kirchen die christlichen Symbole durch islamische ersetzt. Wer heute nach Spuren der damaligen Ereignisse sucht, sucht sie dort.

Prof. Dr. Peter Schreiner: "Am besten kann er diese Spuren in der Hagia Sophia finden, die als erstes nach der Eroberung in eine Moschee verwandelt worden ist. In dieser Kirche findet er noch einen Großteil des Schmuckes aus der byzantinischen Zeit. Er findet nicht mehr den Altar, er findet nicht mehr die Kanzel, sondern er findet Michrab und Minbar und runde Plaketten mit Suren des Koran."

100 Jahre lang wird das osmanische Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht sein. Und hundert Jahre lang wieder langsam zerfallen. Mit dem Ersten Weltkrieg löst es sich endgültig auf, es beginnt die Ära der modernen Republik Türkei.


Autorin: Catrin Möderler

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