Gründungsschrift der Technischen Hochschule in Karlsruhe: "Die Sorge für die Bildung unseres lieben und getreuen Bürgerstandes und überhaupt eines jeden, der sich den höheren Gewerben widmen, dazu die nötigen Vorkommnisse, vorzüglich aus der Mathematik und aus Naturwissenschaften sich erwerben, und deren unmittelbare, in das einzelne gehende Anwendung auf die bürgerlichen Beschäftigungen des Lebens kennen lernen will."
Das war der hehre Anspruch der Gründungsväter der Technischen Hochschule in Karlsruhe - festgehalten vor 175 Jahren in der Gründungsschrift. Bis derlei Anspruch Wirklichkeit werden konnte, bedurfte es langer Verhandlungen und ein großes Maß an Geduld.
Schon Anfang des 19. Jahrhunderts trug man sich mit dem Gedanken, eine Technische Hochschule im Badischen zu gründen. Man war im Rückstand: In Paris öffnete schon 1794 Ecole Polytechnic ein paar Jahre später wurden in Prag und Wien ähnliche Hochschulen eingerichtet. Unter anderem warfen die napoleonischen Kriege das Projekt Technische Hochschule um Jahre zurück.
"Baden war damals ein Agrarstaat, der im Zuge der napoleonischen Umstrukturierungen seine Bevölkerung versechsfacht, seine Fläche vervierfachen konnte. (...) Es gab zwar erste Ansätze der Industrialisierung auf dem Textilsektor, aber im wesentlichen war das der Ausgangspunkt. Die entscheidenden Industrialisierungsschübe gingen dann in Baden in den 50er und 60er Jahren von der Eisenbahn aus, dann kamen die ersten Maschinenbauanstalten", meint der Chef-Archivar der Universität Karlsruhe, Dr. Gerhard Neumeier, und fügt hinzu: "Das war so gedacht als Anschub zur Industrialisierung."
Einer der sich schon seit Jahren für eine Technische Hochschule einsetzte war der Ingenieur Johann Gottfried Tulla. Zu seinen technischen Meisterleistungen zählt unter anderem die Begradigung des Rheins. Sein Wissen erarbeitete sich Tulla durch teuren Privatunterricht oder ausschweifende Praktika, außerdem ist er in den Genuss eines Studienaufenthalts an der Pariser Ecole Polytechnic gekommen. In Karlsruhe sah er, anders als in den badischen Universitätsstädten Freiburg oder Heidelberg, den idealen Ort für eine Technische Hochschule.
Bereits 1805 - also 20 Jahre vor der Gründung - schrieb Tulla in einem Brief: "Weil hier der Zusammenfluss aller vorkommenden Arbeiten ist und die Eleven so bald als möglich zu praktischen Arbeiten gebraucht werden sollen. Auch wären selbst in Heidelberg die gewöhnlichen Vorlesungen der Mathematik nicht hinlänglich, Ingenieure zu bilden, sondern man müsste notwendig verschiedene Lehrarten für Ingenieure und diejenigen, welche es nicht werden wollen, wählen, so wie in Frankreich ein Unterschied gemacht wird, wo die Ingenieure in ganz besonderen Schulen gebildet werden."
Dr. Gerhard Neumeier: "Die damals gegründete Technische Hochschule war eine Neuigkeit in sofern als sie sich mit Technik, Mathematik und Ingenieurswissenschaften beschäftigte und sehr praxis- und anwendungsorientiert ausgerichtet war. Ein wesentlicher Unterschied zur klassischen Universitätslandschaft hat auch darin bestanden, dass am Polytechnikum nur gelehrt und nicht geforscht wurde. Das hat sich erst im Verlauf des Jahrhunderts geändert."
Polytechnische Schule - so nannte sich 1825 Deutschlands erste Technische Hochschule in Karlsruhe. Und stand damit im deutlichen Gegensatz zu den bis dahin schon zahlreichen deutschen Universitäten zwischen Jena und Heidelberg und Berlin und München. Ca. 100 junge Männer kamen im Gründungsjahr in den Genuss des Studiums. Sie entstammten dem gehobenen Bürgertum.
Voraussetzung für eine Einschreibung war das Abitur, oder eine ähnliche Qualifikationen. Aufgenommen wurde der Unterrichtsbetrieb in einem Provisorium, einem Seitentrakt der evangelischen Stadtkirche. Den Hundert Studenten standen zunächst zwölf Lehrkräfte gegenüber, diesen wurde bei Dienstantritt anno 1825 u.a. folgende Richtlinien mit auf den Weg gegeben:
Zitat: "Das sie den von uns bezeichneten Zweck dieser Anstalt bei ihrem gesamten Unterricht unverändert im Auge behalten und solchen immer auf das im Leben anwendbare und Brauchbare richten oder wenigstens immer darauf beziehen, dabei aber sowohl verderbliche Oberflächlichkeit, als bloß äußeren Glanz und Schein vermeiden, dagegen auf innere Tüchtigkeit, als auf das Wesentliche, was Not tut, hinarbeiten werden."
Der erste Direktor war ein Weggefährte Tullas, Professor Gustav Friedrich Wucherer. In den Folgejahren nach der Gründung stieg die Zahl der Lehrkräfte und Studenten stetig an. 2000 zählt die älteste deutsche Technische Hochschule über 20.000 Studenten.
Das Beispiel in Karlsruhe machte Schule. Zwei Jahre nach der Gründung öffnete in München eine Technische Hochschule, es folgten Dresden und Darmstadt. Der wohl berühmteste Gelehrte in Karlsruhe war Heinrich Hertz. Ende des 19. Jahrhunderts weist er die Existenz elektromagnetischer Wellen nach. Die Grundlage der drahtlosen Nachrichtenübermittlung. Zu den berühmtesten Schülern zählten die späteren Autobauer Karl Benz und Emil Skoda. 1967 erlebt die Technische Hochschule in Karlsruhe noch mal eine kleine, doch bedeutende Veränderung. Sie wurde umgetauft in Universität Karlsruhe.
Autor: Oliver Ramme
11.06.08
11.6.1825: Erste Technische Hochschule in Deutschland
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