22.07.08

Das Grab des schwarzen Ritters

© Bucerius Kunst Forum
Schriftliche Zeugnisse haben die Lukaner nicht hinterlassen – dafür aber Grabmalereien, die viel über das alltägliche Leben und die Gesellschaft dieses antiken Volkes erzählen. Ein besonders schönes Beispiel ist das „Grab des schwarzen Ritters“ aus einer Nekropole bei Paestum in Kampanien




Das südlich von Neapel gelegene Paestum ist vor allem für seine großen und hervorragend erhaltenen griechischen Tempel bekannt. Die Stadt wurde im 6. Jahrhundert v. Chr. als griechische Kolonie unter dem Namen Poseidonia gegründet. Um 400 v. Chr. geriet sie unter den Einfluss der Lukanier, eines italischen Volksstamms, die die Stadt Paiston nannten – daraus wurde wiederum das römische Paestum.

Unterirdische Totenhäuser

Insgesamt wurden in den lukanischen Nekropolen bei Paestum bislang rund 1000 Einzelgräber und 14 Familiengrabkammern gefunden.
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Die Form der Gräber gleicht sich, egal ob Einzel- oder Familiengrab: Vier Steinplatten bilden gleichsam ein Haus für den oder die darin bestatteten Toten. Dabei handelt es sich nicht um in der Öffentlichkeit sichtbare Grabdenkmäler wie bei Griechen oder Römern: Die „Totenhäuser“ der Lukaner wurden in unterirdischen Kammern zusammengefügt, und darüber wurde dann ein Grabhügel aufgeschüttet.

Nur knapp zehn Prozent der Grabkammern sind ausgemalt; es handelt sich dabei sicherlich um die Angehörigen der Oberschicht. Darauf weisen auch die Motive der Bilder hin. Die Malereien und die – aus vielen anderen Kulturen gleichfalls bekannten – Grabbeigaben sollten die Toten auf ihrem Weg in das Jenseits begleiten. Heute dienen sie uns als Türöffner in die Welt eines antiken Volkes, das uns sonst nur aus anderen, vor allem römischen, Quellen erschlossen worden wäre.

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Auf den Malereien kehren einzelne Motive immer wieder; als Beispiel mag hierfür das „Grab des schwarzen Ritters“ dienen, das derzeit bei der Ausstellung „Malerei für die Ewigkeit. Die Gräber von Paestum“ im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu sehen ist.

Benannt ist das Grab nach der Malerei an der Stirnseite der Kammer: Sie zeigt einen Krieger auf einem schwarzen Pferd. Sein glänzender Helm mit aufwändigem Federschmuck, über der Brust gekreuzten Bronzegurten und ebenfalls bronzenen Beinschienen weisen ihn als hoch gestellte Persönlichkeit aus.


Symbole des Lebens

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Wichtigstes Motiv der Grabmalereien in Paestum ist das Bild des heimkehrenden Kriegers. Normalerweise wird dieser von seiner Frau mit einem Trunk willkommen geheißen – dieses Motiv ist im „Grab des schwarzen Ritters“ etwas abgeändert: Der Reiter blickt auf eine Blütenstaude in einer Vase. Die Erklärung dafür findet sich auf einer weiteren Malerei in diesem Grab, die sich an der gegenüberliegenden Stirnseite befand: Sie zeigt eine noch jugendlich wirkende Tote auf einer Kline, dem traditionellen Ruhemöbel in der griechisch-römisch geprägten Antike. Die Frau ist mit einem weißen Leichentuch bedeckt, ihr Kopf ruht auf einem roten Kissen. Eine weitere Frau nähert sich ihr von links.

Bei der Toten handelt es sich um die ebenfalls in dem Grab bestattete Gemahlin des „schwarzen Ritters“. Weil seine Frau offensichtlich lange vor ihm gestorben ist, wird er auf der Grabmalerei nicht von ihr willkommen geheißen; stattdessen lässt ihn der Maler wie erwähnt
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auf eine Blütenstaude blicken. Sie dient allgemein als Zeichen des Lebens, aber auch konkret als Symbol für die im Jenseits weiter lebende Ehefrau. Ebenfalls ein Symbol des Lebens und der Fruchtbarkeit sind die drei Granatäpfel, die in einer Schale auf einem kleinen Tisch im Vordergrund liegen. Der Grund für diese Interpretation des Granatapfels sind dessen
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zahlreiche Samen und seine glänzende rote Farbe. Auf die Fruchtbarkeit spielt darüber hinaus der Hahn über dem Kopf der Toten an. Zugleich führt er (mit der benachbarten Henne) und dem darunter abgebildeten Wollkorb in die weibliche Alltagswelt ein, die im Kontrast zu der kriegerisch geprägten des Mannes steht.


Panther, Greifen und eine Sphinx

Auch die beiden Seitenteile der Grabkammer sind aufwändig bemalt: Auf einer der beiden Platten wird ein Panther von zwei Greifen
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angegriffen. Dieses ursprünglich aus dem Orient stammende Fabeltier wurde von den Griechen übernommen und ging über sie auch in die Mythologie der Lukaner ein. Der Greif, eine Mischung aus Adler und Löwe, ist ein Symbol des Lebens – im Christentum wird er später gar zum Symbol der Auferstehung. In der Heraldik findet sich der Greif bis heute beispielsweise im Wappen des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg. Auch der Panther steht für Fruchtbarkeit und Leben. Doch dient der Kampf der Fabeltiere, wie der Archäologe Bernard Andreae betont, auch dazu, „der geordneten Welt der Bewohner von Paestum eine unbestimmte, visionäre, von feindlichen Kräften erfüllte Welt gegenüber zu stellen“.

Gleich mehrere Szenarien hat der Künstler auf der nächsten Platte zusammengefasst: Links ist eine Sphinx zu sehen. Dieses menschlich-tierische Mischwesen mit Löwenrumpf und Frauenkopf war, so Bernard Andreae, dafür verantwortlich, „die Toten ins Jenseits zu tragen“. Neben der Sphinx ist ein Kampf zweier Krieger zu sehen, der einmal mehr auf die kriegerische und aristokratische Grundlage der lukanischen Gesellschaft verweist. Und schließlich findet sich ganz rechts die Darstellung eines Trauerzugs mit Flötenspieler und klagenden Frauen. Setzt man die einzelnen Platten zusammen, nähert sich dieser Trauerzug der aufgebahrten Ehefrau des „schwarzen Ritters“.

Insgesamt belegt die Malerei im „Grab des schwarzen Ritters“ die überragende Bedeutung des Weiterlebens im Jenseits für die Lukaner.

Quelle: Arte.tv / Uwe A. Oster




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