So etwas hatte Paris noch nicht gesehen! "Eine große dunkle Gestalt schwebte herein. Kräftig, braun, heißblütig. Ihr dunkler Teint, ihre vollen Lippen und glänzenden Augen zeugen von weit entfernten Landen, von sengender Sonne und tropischem Regen. Sie wiegt sich unter den Schleiern, die sie zugleich verhüllen und enthüllen. Ihr Busen bebt verführerisch und ihre Augen funkeln" schrieb ein Beobachter.
Paris 1904: In den Salons, den Hotels, den Clubs der Belle Epoque amüsierte man sich prächtig. Champagner floß in Strömen. Jeden Abend gab es Partys, Empfänge und exklusive Abendgesellschaften. Seit der Weltausstellung 1900 schwärmte Paris für alles Orientalische und die Tanzaufführung einer gewissen Lady MacLeod stieß auf große Begeisterung. Dazu kam eine geschickte Publicity.
Legendenbildung zu Lebzeiten
"Ich wurde geboren in der heiligen Stadt Jaffnapatam. Mein Vater war ein hoch angesehener Brahmane, meine Mutter eine Tempeltänzerin, die mit 14 Jahren bei meiner Entbindung starb. Aufgewachsen bin ich in der Obhut von Tempelpriestern. Sie weihten mich Shiva, und ich wurde in die heiligen Mysterien der Liebe und der göttlichen Verehrung eingeführt."
Diese Biografie der Lady MacLeod ist frei erfunden. Denn eigentlich war 29 Jahre zuvor, 1876, Mata Hari als Margaretha Geertruida Zelle in Leeuwarden, Friesland, geboren worden. Früh heiratete sie den Hauptmann der Kolonialarmee Rudolph MacLeod und ging mit ihm nach Niederländisch-Indien, der heutigen Republik Indonesien. 1902 kehrten sie zurück nach Amsterdam und trennten sich nach nur fünf Jahren Ehe. Mittellos plante Margaretha Zelle einen Neuanfang.
In Paris fand die attraktive Dunkelhaarige schnell zahlreiche Liebhaber. Auf Anraten eines Gönners wurde aus der aristokratisch klingenden MacLeod die orientalische Mata Hari. Das malaiische Wort für Sonne.
Das "Auge des Tages"
Am 13. März 1905 erstrahlte das "Auge des Tages" zum ersten Mal in Paris. Mit ihrem Auftritt im Musée Guimet 1905 begann ihr Siegeszug. Selbst im lebenslustigen und frivolen Paris verschlug es den Besuchern ihrer Tanzaufführungen den Atem, denn aus anmutigen Gesten wurden leidenschaftliche Windungen - und am Ende stand vor den entrückten Damen und Herren der Gesellschaft eine nackte Schönheit.
Doch Mata Haris Stern strahlte nur wenige Jahre, dann ließ das Interesse an ihr nach. Das "Auge des Tages" war getrübt, die Sonne Mata Hari stand nicht mehr im Zenit.
1914 aber vermittelte ein ehemaliger Liebhaber Mata Hari überraschend einen Vertrag für das Metropol Theater in Berlin. Plötzlich war sie wieder gefragt. Offiziere, Minister, selbst der Kronprinz sollen zu ihren Liebhabern gezählt haben - doch dann: Der 1. August 1914, der Erste Weltkrieg, brachte das europäische Pulverfass zur Explosion. Margaretha Zelle konnte nicht in das Land des Gegners, nach Frankreich zurück. Stattdessen ging sie in die kriegsneutralen Niederlande.
Von der Tänzerin zur Spionin
Auf einem Empfang im Mai 1916 lernte sie den Presseattaché bei der deutschen Botschaft in Den Haag kennen, Karl Kramer, Mitglied des Nachrichtendienstes. Doch als er sie wenige Tage nach ihrer ersten Begegnung besuchte, wollte er nicht das, was Männer sonst von Mata Hari wollten. Nein, er sprach von "kleineren Aufträgen, die sie in Paris erledigen könnte und die das deutsche Volk sehr zu schätzen wüsste". Spionage!
"Ich erinnerte mich an meine wertvollen Pelze, die vom Theater in Berlin konfisziert worden waren und begriff, dass dies die ideale Gelegenheit sein würde, um mich für den Verlust schadlos zu halten. Deshalb schrieb ich an Kramer und akzeptierte sein Angebot", sagte Mata Hari später.
Kramers Angebot: 20.000 Francs. Unter dem Codenamen H21 wurde sie fortan in den Listen des Deutschen Geheimdienstes geführt. Zwar verriet Mata Hari keine wesentlichen Geheimnisse, aber die französische Spionageabwehr wurde auf sie aufmerksam. Und 1917, im Jahr der totalen Kriegsmüdigkeit und Truppenmeutereien, war sie ein willkommenes Bauernopfer, um die Franzosen aufzurütteln.
Am 13. Februar wurde Mata Hari verhaftet. Die Verhöre dauerten monatelang. Man konnte ihr nichts nachweisen, aber schließlich stieß man auf die 20.000 Francs von Kramer und die Schlinge zog sich zu. Auf Spionage stand die Todesstrafe.
Sieben Monate nach ihrer Verhaftung, am 15. Oktober 1917, stand Mata Hari im Wald von Vincennes vor zwölf Soldaten eines französischen Artillerieregiments. Eine Augenbinde hatte sie für ihre Exekution abgelehnt: "Ich werde den Soldaten ins Auge blicken. Ich bin stolz auf meine Vergangenheit, und ich war nie eine Spionin, aber ich war Mata Hari!"
15.10.08
15.10.1917: Mata Hari hingerichtet
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