14.10.08

Fund weckt den Pyramiden-Mythos

Kiel – Die Pyramide ist so etwas wie der Fluch der Archäologen. Zahlreiche Geschichten ranken sich um sie und inspirieren Filmemacher. Seit kurzem gibt es eine Geschichte mehr. Der Kieler Archäologe Prof. Johannes Müller machte vor zwei Wochen einen Grabungsfund, der Vertretern der These um bosnische Pyramiden neuen Aufwind gibt.
Ende September fanden Archäologen der Christian-Albrechts-Universität einen ciretwa 4000 Jahre alten pyramidenförmigen Tonsockel im Grabungsgebiet im bosnischen Visoko, 25 Kilometer nordwestlich von Sarajevo. Per Handyfoto fand die Mini-Pyramide zunächst ungewollt ihren Weg aus der Grabungsstätte in die Öffentlichkeit. Seitdem hat der Fund in Bosnien viele Gemüter erhitzt. Denn Hobbyarchäologen sehen in dem Tonsockel einen weiteren Hinweis darauf, dass es in Europa Pyramiden gibt.
Die These, dass der kegelförmige Berg am Fuße der Stadt Visoko eine Pyramide ist, ist nicht neu. Vertreten wird sie vor allem von dem Hobbyarchäologen Semir Osmanagic, einem in Amerika lebenden Bosnier. Er glaubt, dass eine intelligente Zivilisation die Pyramiden vor rund 15000 Jahren erbaut habe.
„Das ist aus wissenschaftlicher Sicht Unfug“, sagt Johannes Müller, Professor für Archäologie an der CAU. Er ist gerade vor ein paar Tagen mit seinen Kollegen und Studenten von der Grabung zurückgekehrt, um die Funde nun auszuwerten. „Unser Fund hat zwar die Form einer Pyramide. Weitere Rückschlüsse kann man aber nicht ziehen“, so Müller. Es handele sich schlicht um einen Sockel, dessen Aufsatz abgebrochen sei. Die Forscher vermuten, dass es sich um ein Räuchergefäß handelt, das kultischen Zwecken diente. Wahrscheinlich nutzten die Menschen den Tonsockel dazu, Glut zu halten oder Duftaromen zu verbreiten.
Für die Kieler Wissenschaftler, die gemeinsam mit dem Bosnisch-Herzegovinischen Landesmuseum und der Römisch-Germanischen Kommission Frankfurt des Deutschen Archäologischen Instituts die Siedlungsstrukturen am Übergang von der Stein- zur Metallzeit (circa 5500 bis 4000 v. Chr.) erforschen, ist der Fund zwar etwas Besonderes. Denn als bislang einzigartiges Fundstück in der Grabungssiedlung Okolište weist es auf soziale Unterschiede innerhalb der Siedlung hin. „Allerdings sehen wir jetzt auch ganz konkret die Gefahr, durch unseren Fund in den sogenannten Pyramiden-Sog hineingezogen zu werden“, sagt Müller. Das behindere die Arbeit der Archäologen.
Dass das Kieler Grabungsteam je auf eine Pyramide stoßen wird, schließt Müller aus: „Es gibt keine Pyramiden in Bosnien.“

Quelle: kn-online.de

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