Auf dem Petriplatz in Berlin-Mitte sind bei archäologischen Grabungen spannende Funde ans Licht gekommen, die die Stadtgeschichte neu beleuchten.
Seit April 2007 wurde im Auftrag des Landesdenkmalamtes auf dem Petriplatz gegraben. Wo heute ein Parkplatz ist, befand sich bis zu ihrem Abriss 1964 die Ruine der Kirche St. Petri, die wohl in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts errichtet und seit dem Mittelalter fünfmal vollständig wiederaufgebaut wurde. Als Hauptkirche Cöllns lag sie in der Nähe des Cöllnischen Rathauses gegenüber der Fischerinsel unweit der Spree, die die Siedlungen Cölln und Berlin trennte. Beide Städte waren bis ins frühe 18. Jahrhundert eigenständig und bildeten als Doppelstadt Berlin-Cölln die Residenz der brandenburgischen Kurfürsten und später der preußischen Könige.
Erste Grabungen 1960/61 bezeugten eine lange Besiedlungsgeschichte des Platzes. Durch eine Grabung im Jahr 1967, bei der drei Grabungsschnitte angelegt wurden, ließen sich verschiedene mittelalterliche Bauphasen der St.-Petri-Kirche sowie der dazugehörige Friedhof nachweisen. Friedrich Wilhelm I. hatte 1717 die innerstädtischen Friedhöfe – auch den bei St. Petri – aufheben lassen. Über das neue Straßenpflaster ratterten nun Kutschen – sehr zum Ärger der protestierenden Hinterbliebenen.
Mit den Grabungsschnitten 1967 konnten viele Fragen zur mittelalterlichen Bebauungssituation nicht hinreichend geklärt werden. Bei der jüngsten Kampagne wurde das ganze Areal ausgegraben, alle Schichten wurden komplett abgetragen. So können Archäologen komplexe historische Strukturen besser verstehen, auch wenn damit – trotz Dokumentation – eine Zerstörung der Bodenfundsituation verbunden ist.
Die Archäologen wurden tatsächlich mit neuen Informationen zum Alter Cöllns belohnt: Eine in eine Kellerkonstruktion verbaute Eichenbohle ist laut dendrochrono‧logischer Analyse um 1212 (+/- zehn Jahre) gefällt worden und damit älter als die früheste schriftliche Erwähnung Cöllns in einer Urkunde aus dem Jahr 1237. 1998 hatte man in der angrenzenden Breiten Straße eine Holzbohle gefunden, die sogar auf 1171 datiert wird. Keinerlei Anhaltspunkte fanden sich dagegen für die Vermutung, dass Cölln eine slawische Gründung gewesen sei.
Die Gebeine von Hunderten von Bestatteten wurden nun freigelegt, die ersten in 60 Zentimetern Tiefe. Die frühesten Funde datieren vor den ersten bekannten Kirchenbau, sie werden zur Zeit genau untersucht. Da christliche Bestattungen ohne dazugehörenden Sakralbau undenkbar sind, muss von einem frühen Vorgängerbau, vielleicht einer Holzfachwerkkonstruktion, ausgegangen werden. Keramik, Schmuck und zahlreiche Münzen wurden ebenfalls in den Gräbern gefunden.
Ausgegraben wurden auch die Grundmauern und der Fußboden der ältesten Schule Cöllns. Die Lateinschule, im
13. Jahrhundert gegründet, nannte man im Mittelalter „Schola Coloniensis“ oder „Schola Petrinum“; sie wurde von 1539 an als Gymnasium bezeichnet. Die Schulgrundmauern sollen nun in situ bleiben und die Fundamente der Kirchbauten in die Platzgestaltung einbezogen werden. Die Präsentation der gesamten Funde in einem Museumsneubau ist jedoch bisher ein Traum.
Literatur:
Claudia M. Melisch/Marina Wesner, St. Petri-Kirche. Ein Rundgang durch das historische Cölln in Berlin. Berlin 2008.
Quelle: damals.de
02.10.08
Wie alt ist Berlin?
Tags: Ausgrabungen, Europa, Mittelalter
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