02.10.08

Bunte Götter

Sie waren mit lebhaften Farben und reicher Ornamentik versehen, die Skulpturen der Griechen und Römer. Eine Ausstellung in Frankfurt zeigt bemalte Rekonstruktionen antiker Plastiken, die nun eine ungeahnt intensive Wirkung entfalten.

Die vielbeachtete Ausstellung „Bunte Götter“ zeigt die spektakulären Rekonstruktionen antiker Skulpturen in ihrer ursprünglichen Farbenpracht. Nachdem die Schau in Europa und den USA mit großem Erfolg gezeigt wurde, ist sie jetzt in einer wesentlich erweiterten Form im Frankfurter Liebieghaus zu sehen (Schaumainkai 71; 8. Oktober 2008 – 15. Februar 2009). Die Ausstellung räumt mit dem liebgewonnenen, aber grundlegend falschen Bild der marmorweißen Antike auf. Für manchen Liebhaber antiker Kunst ist es ein Schock, für viele Besucher eine neue, aufregende Erfahrung.

Eigentlich war es immer bekannt: Die Griechen und Römer gestalteten ihre Skulpturen mit lebhaften Farben und verzierten sie mit reichen Ornamenten. Als im 19. Jahrhundert zahlreiche Marmorfiguren in Rom und Athen ausgegraben wurden, beobachteten die Forscher bereits viele Farbreste. Diese Spuren der einstigen Bemalung sind in Zeichnungen und Aquarellen festgehalten worden. Gottfried Semper, Leo von Klenze und andere erfolgreiche Architekten des 19. Jahrhunderts stellten auf Reisen nach Süditalien, Sizilien und Griechenland ihre eigenen Untersuchungen an und lieferten farbenprächtige Rekonstruktionen der Tempel und der Tempelskulpturen.

Das 20. Jahrhundert entdeckte dagegen die Schönheit der reinen und reduzierten Form für sich. Nun war eine Erforschung der antiken Ornamente und Farben kaum noch angebracht. Das Thema der Bemalung geriet in Vergessenheit, und die Forschung widmete sich anderen Fragestellungen.

Seit 25 Jahren jedoch werden von einem internationalen Forscherteam die Farbspuren mit Hilfe naturwissenschaftlicher Techniken untersucht und dokumentiert. Dabei konnten unerwartet viele neue Erkenntnisse gewonnen werden. Man fand variationsreiche Ornamente und die Farben von Gewändern, Haaren, Augen und Haut. Dieser Zuwachs an Wissen ermöglicht die farbige Rekonstruktion ausgewählter Objekte anhand maßgenauer Kopien.

Man konnte es immer schon nachlesen: Die großen Schriftsteller der griechischen und römischen Antike berichten in aller Klarheit von den farbigen Figuren. Als der berühmte spätklassische Bildhauer Praxiteles gefragt wurde, welche Statuen aus seinem eigenen Werk ihm am besten gefielen, da antwortete er: „Jene Sta‧tuen, die mein Malerkollege Nikias farbig gefasst hat.“ Und Nikias war der erfolgreichste Kunstmaler seiner Generation!

Der bedeutende Theaterschriftsteller Euripides wählt die farblose Marmorskulptur als ein Bild für außerordentliche Hässlichkeit. Helena sagt zu sich selbst, als sie erkennt, dass allein durch ihre Schönheit das zehn Jahre währende Elend des Troianischen Kriegs ausgelöst wurde: Wäre ich doch immer so hässlich gewesen wie eine Statue, der man die Farbe abgewischt hat, dann wäre dieses Leid nicht entstanden.

Seit 200 Jahren werden Proben von den Farbresten antiker Skulpturen genommen und analysiert. Der Erste war im 19. Jahrhundert der englische Physiker und Chemiker Michael Faraday; er wurde beauftragt, die Farbigkeit der Parthenon-Skulpturen zu untersuchen. Heute werden sehr viele Analysen durch digitale Verfahren erstellt. Dabei ist eine Probenentnahme nicht mehr notwendig. Mit der Raman-Spektroskopie (Identifizierung verschiedener Materialien mit Hilfe von elektromagnetischen Strahlungen, benannt nach dem Physiker Raman) und der UV-VIS-Absorptionsspektroskopie, bei der Informationen im Bereich von ultraviolettem, infrarotem und sichtbarem Licht gewonnen werden, wird schnell eine Vielzahl von Pigmentresten bestimmt, ohne das Original zu berühren. Es lässt sich so eine umfangreiche Farbpalette identifizieren: Es wurden in der Antike neben verschiedenen Erden von hellstem Ocker über Rot bis zu tiefem Braun sehr kostbare, farbige Mineralien in leuchtendem Grün, Blau, Gelb und Rot benutzt. Darüber hin-aus war das technologische Know-how so entwickelt, dass man nicht nur aus Pflanzen und Tieren farbintensive Malmaterialien gewinnen konnte, sondern auch mit Hilfe raffi‧nierter chemischer Prozesse.

Die neuen Forschungen haben sehr von den Möglichkeiten der technischen Fotografie mit ultravioletten Strahlungen (UV-Fluoreszenzfotografie und UV-Reflektografie) profitiert. Aufregend sind die Ergebnisse: Obwohl sich keine Pigmente erhalten haben, werden die einst aufgemalten Ornamente und Muster aufgrund der chemischen und mechanischen Veränderungen der Marmoroberfläche wieder sichtbar.

Im extremen Seitenlicht können darüber hinaus häufig Markierungen oder die feine Vorritzung einzelner Verzierungen durch den Statuenmaler gefunden werden. In vielen Fällen hinterließ die Malerei ein sehr feines Relief in der Steinoberfläche, die das ursprünglich aufgemalte Ornament heute noch erkennen lässt, da die einzelnen Farben abhängig von ihrem Material unterschiedlich auf die Verwitterung reagierten.

Mehr als 30 Rekonstruktionen und etwa 70 Originale legen in aufregender und schockierender Weise Zeugnis von der vibrierenden Sinnlichkeit der farbigen Antike ab. Hunderte fein unterschiedene und ungewöhnlich detailreiche Ornamente schmücken die antiken Gewänder und Waffen. Kunstvolle Muster umspielen die dreidimensionalen Formen der Körper und verstärken die räumliche Wirkung. Gemalte Augen, Hautfarbe und gestaltetes Haar geben den Figuren Ausdruck und Seele zurück. Illusionistische Maltechniken fügen der Skulptur die Errungenschaften der antiken Malerei hinzu. Die antiken Sta‧tuen, unwiederbringlich ihrer „edlen Einfalt und stillen Größe“ (Johann Joachim Winckelmann) beraubt, werden zu vitalen Akteuren auf der ereignisreichen Bühne der Welt der Götter und Helden.

In einem interdisziplinären Forschungsprojekt (Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft) ent‧stehen augenblicklich neue Rekonstruktionen der „dritten Generation“. Im letzten Jahr ist die Statue des sogenannten Perserreiters der Athener Akropolis mit den neuesten naturwissenschaftlichen Techniken vermessen und untersucht worden. In einem sehr aufwendigen Verfahren ist die Marmorskulptur, die Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt und wegen der einzigartig gut erhaltenen Farbigkeit berühmt wurde, dreidimensional elektronisch aufgezeichnet und als maßstabsgetreue Kopie in kristallinem Acrylglas hergestellt worden. Mit Naturpigmenten, die den in der Antike verwendeten Materialien entsprechen, ist das bezaubernd schöne und reichverzierte Gewand der Reiterfigur rekonstruiert worden. Die Naturpigmente, die heute auf dem Weltmarkt erhältlich sind, wurden dafür – wie in der Antike – mit aufwendigen Methoden gesäubert und verfeinert, die antike Maltechnik kopiert. Die Farbwahl der antiken Künstler unterscheidet zwischen den leuchtenden Farben der Texti‧lien und den etwas gedeckteren Farbtönen des Pferdekörpers. Die Wahl der Farben ist aber auch hier erfrischend unkonventionell: Während das Fell, wie es die Natur vorgibt, ockerbraun gefärbt wurde, sind Mähne und Schweif mit roter und grüner Farbe gestaltet!

Quelle: damals.de


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