Durch 15 Durchlässe im Wall stürmen seine Krieger hinunter in die Senke. Aber selbst nach drei Tagen fast pausenlosen Kämpfens sind die Legionäre noch mutig und diszipliniert. Endlich zeigt sich der Gegner, weicht nicht mehr aus, sondern bietet die Möglichkeit zum Gegenschlag. Tief gestaffelt, Schild an Schild, treiben die Römer die Germanen zurück zu deren Verschanzung. Sie attackieren den Wall, überrennen ihn, Teile der improvisierten Konstruktion brechen unter dem Gewicht der kämpfenden Männer zusammen.
Die römischen Soldaten sind geschwächt
Doch die Rebellen tatsächlich zu schlagen, dazu reicht die Kraft der Römer nicht mehr aus. Sobald sich die Legionäre zurückziehen, greifen die Germanen erneut an. Varus, umzingelt von den cheruskischen Angreifern, bereits verwundet und gewiss, seine Legionen ins Verderben geführt zu haben, wählt, getreu der römischen Tradition, den Freitod. Er kniet nieder und stürzt sich in sein Schwert. Die Truppenführer folgen seinem Beispiel. Nach dem Selbstmord des Varus zerbricht die militärische Ordnung vollends. Viele Legionäre stürzen sich wie ihr Kommandeur in ihre Schwerter, andere werfen die Waffen weg und lassen sich niederhauen oder gefangen nehmen. Die letzten, erbittertsten Kämpfe entbrennen um die Feldzeichen. Ein Adler nach dem anderen sinkt zu Boden, jubelnd erbeutet von den Germanen.
Die Germanen plündern die Besiegten
Überall auf dem Schlachtfeld werden die Leichen gefleddert. Die Sieger reißen die Waffen von den Gürteln, ziehen den Toten die Rüstungen aus, die Helme vom Kopf. Sehr begehrt sind die silbernen oder vergoldeten Gesichtsmasken der römischen Reiter, die Äxte der Pioniere, die Lote und Senkbleie zum Vermessen, die Knochenheber, Scheren der Ärzte. Pferdegeschirre werden aufgehoben, Sättel und Zaumzeug, selbst die Radnaben von zerbrochenen Wagen abmontiert. Zerwühlt wird das Gepäck, durchsucht nach Münzen und Schmuck. Zu den plündernden Kriegern gesellen sich die Bewohner der umliegenden Dörfer. Jeder Handwerker sucht Metall. Schon eine einzige römische Sandale enthält Dutzende eiserner Nägel. Aus Eisen sind auch die Schildbuckel und Gürtelbeschläge, die Scharniere der Panzer und die Halsglocken der Maultiere.
Auf Arminius' Befehl tragen Boten das Haupt des Varus zu Marbod. Ihn, den König der Markomannen, sein großes Vorbild, will der Cheruskerfürst für ein Bündnis gewinnen. Doch der Herrscher denkt nicht daran, das Imperium zu provozieren. Pietätvoll sendet er den Kopf weiter nach Rom. Am Ort des Sieges zelebrieren die Germanen ihren Dank an die Götter. Auf rasch errichteten Altären opfern sie die gefangenen römischen Offiziere. Gut möglich, dass sie ihnen - wie einst bei den Kimbern und Teutonen üblich - die Kehlen durchschneiden und das Blut in Behältern auffangen. Je nachdem, welcher Gottheit ihr Opfer gilt, wählen sie für die anderen Gefangenen unterschiedliche Todesarten: den Galgen für all jene, die man den Himmlischen weiht, Martergruben für die den Erdgottheiten Bestimmten. Die Schädel der Toten befestigen die Krieger an den Bäumen - so beschreibt es Tacitus.
"Varus, gib mir meine Legionen wieder!"
Im fernen Rom kann Kaiser Augustus das Geschehene nicht fassen. "Varus, gib mir meine Legionen wieder!", ruft er gemäß seinem Biografen Sueton aus, als er die Nachricht von der Niederlage erhält. Die Schlacht wird als eine der größten militärischen Katastrophen in der Geschichte des Imperiums in die Werke römischer Literaten und Historiker eingehen.
Das Land zwischen Weser und Rhein geht dem Imperium nach der Schlacht fast vollständig verloren. Alle Kastelle und Stützpunkte werden von den Germanen zerstört. Die Sorge der Römer, Arminius könnte über den Rhein vordringen, die nur schwach besetzten Legionslager erobern und den Aufstand bis nach Gallien tragen, erfüllt sich indes nicht. Erst unter Germanicus, dem Neffen des Tiberius, beginnen im Jahr 15 n. Chr. groß angelegte Offensiven, bei denen römische Truppen bis ins Zentrum des Widerstands vordringen: ins Land der Cherusker an der Weser.
Rom zieht sich endgültig zurück
Doch die Verluste der Römer sind so hoch, dass Tiberius - seit 14 n. Chr. Kaiser in Rom - seinem Statthalter befiehlt, alle Operationen in Germanien abzubrechen und sich endgültig hinter die Rheinlinie zurückzuziehen.
Und doch: Nur fünf Jahre nach dem Abzug der Römer trifft ein, was Tiberius bereits lange zuvor prophezeit hat: Wenn man die Germanen sich selbst überlasse, erledige sich das Problem von selbst. Ohne den gemeinsamen Feind versinkt das Land in den alten Zustand dauernder Fehden, innerhalb der Stämme ebenso wie zwischen ihnen. Trotz seiner Erfolge verweigern die Cherusker Arminius die Königswürde. In der Adelsgesellschaft der Gleichen will man keinen, der an Einfluss und Macht die anderen überragt. Und da sie seinen Ehrgeiz fürchten, töten ihn im Jahr 21 n. Chr. die eigenen Verwandten. Hinterrücks.
Quelle: Geo.de / Text von Ralf-Peter Märtin
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Tags: Antike, Die Varusschlacht:, Germanen, Roemer
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