Militärisch zackig begrüßt Canberra seine Gäste. Angereist sind der Premierminister Stanley Bruce, die Abgeordneten des Parlaments, der Duke of York mit seiner Gattin und jede Menge Schaulustige: Mit der Eröffnung des neuen Parlamentsgebäudes soll gleichzeitig Canberra als neue australische Hauptstadt eingeweiht werden. Gerhard Leitner, Professor am Institut für Englische Philologie der Freien Universität Berlin sagt dazu: "Als die Stadt als Regierungssitz eröffnet wurde, da gab es dort wenig. Es gab das heute sogenannte alte Parlamentsgebäude und das war eigentlich alles. Die Bevölkerung damals lag bei 2.000, 3.000 Menschen Das war also ein sehr, sehr kleiner Anfang. "
Das Einweihungsfest macht so manche Probleme. Denn eigentlich ist der Premierminister der einzige der Angereisten, der auch privat ein Dach über dem Kopf hat. Die Häuser für die Abgeordneten sind noch nicht fertig. Drei Hotels gibt es nur, um die Gäste zu beherbergen. Einige müssen im neuen Parlamentsgebäude übernachten. Zudem sind die Parlamentarier untereinander auch noch zerstritten. Gerhard Leitner hierzu: "Die konservative, liberale Partei und die Arbeiterpartei, die Labour Party waren im Kampf. Und es wurde offenbar vereinbart, dass bei dieser Eröffnung keine Reden gehalten werden sollten. Es war sozusagen eine stille Übergabe, denn jede Rede war befürchtet worden, dass die eine oder andere Partei daraus Vorteile ziehen wollte."
Eine ideale Stadt
Mit nur einer Rede vom Premierminister und einer Rede des Duke of York, dem späteren König Georg dem VI., sind die Feierlichkeiten kurz. Der Mann, der Canberra als perfekte Hauptstadt geplant hat, spricht nicht. Der US-amerikanische Städteplaner und Architekt Walter Burley Griffin schreibt später in seinen Aufzeichnungen über Canberra: "Ich habe eine Stadt geplant, die keiner anderen auf der Welt gleicht. Ich habe sie nicht so geplant, wie ich erwartete, dass irgendeine Regierung der Welt sie akzeptieren würde. Ich habe eine ideale Stadt geplant - eine Stadt, die meinem Ideal der Stadt der Zukunft entspricht."
Wirklich akzeptiert wird Griffins Plan während der Bauzeit tatsächlich nicht. Wieder und wieder mischen sich Politiker ein, bis der Architekt 1920 seine Arbeit niederlegt. Trotz all der Intrigen sieht Canberra weitgehend so aus, wie von Griffin geplant. Städtebaulich sollte sich widerspiegeln, dass es der Regierungssitz ist. Die Hauptinstitutionen sollten dort verortet sein. Im Zentrum das Parlament, die Exekutive und die Rechtssprechung auf der einen Seite, und auf der anderen Seite sollte die Bevölkerung wohnen. Beide waren nun getrennt durch einen künstlich anzulegenden See."
Architektonisch: perfekt - historisch: ein Kompromiss
Architektonisch ist Canberra nahezu perfekt. Historisch gesehen ist es ein Kompromiss. Als Australien 1907 zur selbstverwaltenden Kolonie von Großbritannien ernannt wird, müssen sich sechs ehemals voneinander unabhängige Gebiete in der australischen Föderation zusammenraufen. Streit gibt es dabei vor allem in der Frage, wo die Hauptstadt liegen soll. Gerhard Leitner dazu: "In Australien stritten sich Melbourne, das war die größte Stadt, mit Sydney, das zwar kleiner war aber natürlich die älteste Stadt war. Und beide hatten ihre Lobbyisten. Also es kam zu keiner Einigung. Dann wurde beschlossen, dass die Hauptstadt zwischen Melbourne und Sydney liegen müsste und dann hat man diese Stadt künstlich aufgebaut zur Hauptstadt."
Noch mehrere Jahrzehnte gilt Canberra als unauthentisch und eher langweilig. Inzwischen hat die australische Hauptstadt aber ihren Platz gefunden.
09.05.09
9.5.1927: Canberra Hauptstadt Australiens
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