06.06.09

Archäologen rechnen mit sensationellen Funden aus Römerzeit

Die Stadt Konstanz steht vor einer der spektakulärsten Ausgrabungen zur Stadtgeschichte. Die Archäologen rechnen damit, auf einen Römer-Friedhof zu stoßen.

Konstanz – Die Konstanzer Erde ist eine reichhaltige Schatzkammer. Aktuell buddeln die Archäologen auf einer Baustelle beim Emmishofer Zoll, wo bald Wohnungen gebaut werden. Lange standen sie vor einem Rätsel, woher die gefundenen Mauern stammen. Hier in der Nähe des früheren Emmishofer Tores stand jedenfalls ein sehr großes Gebäude. Grabungsleiterin Michaela Jansen: „Wir haben ganz massive Balken gefunden.“ Sie lassen sich nun zweifelsfrei einer Mühle zuordnen, die vor dem Bau eines Kapuzinerklosters hier stand. Sie wurde wahrscheinlich im 15. Jahrhundert erstellt und für den Bau des Klosters wieder abgerissen. Der Fund ist eine kleine Sensation, denn es seien bundesweit sehr wenige Reste von Mühlen aus dieser Zeit erhalten, berichtete Ralph Röber vom Archäologischen Landesmuseum (ALM). Meist wurden sie abgerissen und das Holz für andere Zwecke verwendet.

Doch nun sind große Mengen Holz gefunden worden, unter anderem ein riesiges Eichenteil, bei dem es sich vermutlich um die Welle der Mühle handelt. Das Gebäude dürfte sich also gut rekonstruieren und die Zeit genau datieren lassen. Zu welchen Zwecken die Mühle gedient hat, ist bislang allerdings nicht geklärt. „Da müssen wir in den schriftlichen Quellen suchen“, sagte er.

Die Archäologen haben in den vergangenen Tagen eine weitere Mauer freigelegt, die sehr nahe an der zuvor gefundenen liegt. Beide dürften den Mühlkanal begrenzt haben, erläuterte der Fachmann vom ALM.

Die Archäologen und ihre Helfer haben neben massiven Fundamenten interessante Funde gemacht: ein Topf aus dem 13. Jahrhundert, ein Schlüssel aus dem 17. Jahrhundert, Keramik, Glas, Eisennägel und etliche Handwerksgeräte. „Wir haben außerdem eine Grube mit vielen Tierhörnern entdeckt“, erzählte Michaela Jansen. Es dürften Abfälle der Gerber sein, die hier am Rande der Stadtmauer in früheren Zeiten arbeiteten. Die mächtigen Gebäude in der Kreuzlinger Straße mit den großen Dächern und den Fensterluken zeugen noch davon. Außerdem haben in diesem Stadtteil Töpfer und Bronzegießer gearbeitet. „Stadelhofen ist praktisch ein mittelalterliches Gewerbegebiet“, sagte Ralph Röber.

Die Fachleute hatten eigentlich eher mit den Resten des Kapuzinerklosters gerechnet. Ralph Röber: „Wir sind überrascht, dass wir es noch nicht gefunden haben.“ Die relativ kleine Anlage befand sich aber irgendwo auf dem Areal. Es wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an die Marktstätte verlegt, wo sich heute die Sparkasse befindet. Grund dürfte die bessere Lage in der Stadt gewesen sein. Zudem habe es Probleme mit dem vielen Wasser auf dem Seeton gegeben, berichtete Michaela Jansen. „Das ist alles glitschig hier, das Wasser steht überall.“ Die Grabungsleiterin und ihre Mitarbeiter hoffen, bei der weiteren Suche auf die Klosterreste zu stoßen. Noch sensationeller dürften allerdings die Grabungen auf dem Stephansplatz werden, die der Gemeinderat grundsätzlich befürwortet hat. Ralph Röber erwartet Entdeckungen, die neue Aspekte der Stadtgeschichte ergeben.

Der Platz liegt am Rand des einstigen Römer-Kastells, dessen Überreste auf dem Münsterplatz freigelegt wurden. Röber erwartet einen Friedhof aus der Zeit des Kastells. Zudem liege in diesem Bereich ein frühmittelalterlicher Friedhof, der ebenfalls spannende Funde erwarten lässt. Da das frühere Franziskaner-Kloster angrenzt, ist auch mit Überresten aus dieser Zeit zu rechnen. Für den Wochenmarkt dürfte es während der Grabungen eng werden.

„Das wird eine Riesenmaßnahme, das wird mehrere Jahre gehen“, sagte Röber. Aber nun werden zunächst das genaue Vorgehen und die Finanzierung geklärt. Er freut sich jedenfalls schon auf die nächsten Überraschungen, die im Konstanzer Untergrund schlummern. „Ich bin jetzt 18 Jahre hier und immer wieder kommt was Neues.“

Quelle: suedkurier.de

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