Tropischer Regen auf Sansibar. Die Insel im Indischen Ozean mit ihrem tropisch-feuchten Klima und ihrem natürlichen Hafen bot sich schon ihren kolonialen Entdeckern als fruchtbares Paradies dar - so schrieb 1888 Richard Böhm, Reisender in Sachen kolonialer Eroberung:
Böhm: "In echt tropischer Üppigkeit stehen die lichtgrünen Bananen mit Riesenbüscheln gelber Früchte, hohe schön gefiederte Kokospalmen, riesige schwarzgrüne Mangobäume, Nelkensträucher, Orangen, Mandarinen und Limonen durcheinander. Dazwischen die Baumschulen gleichenden Mhogo-, Reis-, Mais- und Zuckerrohrfelder. Ananaspflanzungen, Wiesen mit mächtigem Graswuchs, mit gelbem Hibiskus und roten Winden. (...) Und mitten in all dem Grün versteckt liegen die weißen Landhäuser reicher Araber und Inder und die niedrigen Hütten der Feldarbeiter."
Doch Sansibars Bedeutung ging weit über seine üppige Vegetation hinaus. Dank seiner Lage gut 30 Kilometer vor dem afrikanischen Festland und aufgrund seiner Beherrschung durch die Sultane aus dem Oman nahm die Insel eine Mittlerposition zwischen Ostafrika, Arabien und dem indischen Subkontinent ein. Ein wirtschaftsgeographisches Juwel, an dem im ausgehenden 19. Jahrhundert besonders der Seemacht Großbritannien gelegen war.
Das Empire und das deutsche Kaiserreich waren jedoch zu diesem Zeitpunkt Rivalen, vor allem wenn es darum ging, koloniale Einflusssphären gegeneinander abzugrenzen. Dies war in besonderem Maße in Ostafrika der Fall.
Die Historikerin Jutta Bückendorf: "Es waren Deutsche und Briten, die dort ihre Interessen verfolgten. Auf deutscher Seite im Wesentlichen die 'Deutsch-ostafrikanische Gesellschaft', personifiziert durch Karl Peters. Und dann gab es eine britische Interessengruppe rund um den schottischen Reeder MacKinnon, der die 'Imperial British East Africa Company' inszeniert hatte. Die beiden hatten dort ihre Interessengebiete. Allerdings waren (bisher) nur die Küstengebiete (Ostafrika) bekannt. Jetzt ging es darum, auch das Hinterland zu erschließen und das eigene Kolonialgebiet auszuweiten."
Das deutsche Kaiserreich und Britannien betrieben eine Kolonialpolitik quasi mit beschränkter Haftung, dass heißt, sie fungierten als Schutzmächte, ließen aber die praktische Arbeit vor Ort von den Kolonialisten erledigen. Verwegene Abenteurer unterschiedlichster Motivation, die allerdings immer auf ähnliche Art und Weise vorgingen: Sie schlossen so genannte Freundschaftsverträge mit den lokalen Herrschern vor Ort und sicherten sich und dem Reich damit neue Einflusssphären.
1866 hatten sich Deutschland und das Empire auf dem afrikanischen Festland insofern geeinigt, als das Territorium des heutigen Kenia unter britischen Einfluss die des heutigen Tansania unter deutschen Einfluss gestellt wurde - doch dieser Ausgleich währte nur kurze Zeit. Vier Jahre später kam es erneut zur Interessenskollision, die beide europäischen Mächte einem Krieg gefährlich nahe brachte.
Da hatte der britische Premier Lord Salisbury 1890 eine Idee:
Bückendorf: "Es ging darum, auf dem ostafrikanischen Kontinent die Grenzen festzuziehen, wo es Gebiete gab, die sowohl Großbritannien als auch Deutschland für sich beanspruchten. Nachdem diese (Probleme) nicht lösbar waren, brachte Salisbury europäisches Territorium ins Spiel. Das war Helgoland. Für die Rückgabe Helgolands verzichtete Deutschland auf mögliche spätere Ansprüche auf Sansibar."
Im Gegenzug wurde Königreich Buganda am Victoriasee, das weitgehend dem heutigen Uganda entspricht, Britannien zugeschlagen. Die Herren der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft waren außer sich.
"Zwei Königreiche hat man gegen eine Badewanne in der Nordsee eingetauscht!" wetterte Karl Peters, der Sansibar 1884 für die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft entdeckt hatte. Doch für den deutschen Reichskanzler Caprivi war etwas anderes Ausschlag gebend:
Bückendorf: "Helgoland war ein britischer Marinestützpunkt und lag direkt vor der deutschen Küste. D.h. man hatte den potentiellen Feind direkt vor der Haustür, und das war etwas, was mit Unbehagen betrachtet wurde. Die Insel war 1714 an Dänemark verloren gegangen, dann hatten die Briten sie annektiert. 1870 hatte Bismarck versucht die Insel gegen die französischen Kolonien einzutauschen, weitere Tauschangebote scheiterten an diversen politischen Differenzen bis schließlich Salisbury mit seinem Vorschlag vor allem beim späteren Kaiser Wilhelm II. offene Türen einrannte, der die Marine favorisierte und in einem britischen Helgoland eine strategische Bedrohung für den Kieler Nordostsee-Kanal sah."
Autor: Daniel Scheschkewitz
Das Leben Lord Robert Arthur Salisburys, britischer Premierminister und Außenminister, der mit dem Deutschen Reich den Tausch von Helgoland gegen Sansibar abwickelte, wird hier in einer Kurzbiografie des "Deutschen Historischen Museums" dargestellt.
Beitrag des "Deutschen Historischen Museums" zur Kolonialpolitik des Deutschen Reiches mit Auszügen aus zwei Reden Kaiser Wilhelms II. Zahlreiche Stichworte des Textes sind auf weiterführende zeitgeschichtliche Informationen verlinkt.
01.07.08
1.7.1890: Sansibar gegen Helgoland
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